Schuldnerschutz bei Kreditverkauf – grammatikalisch eindeutig zweideutig

von Ulrich Wackerbarth

Das Risikobegrenzungsgesetz hat uns § 799a ZPO beschert, in dem ein verschuldensunabhängiger Schadensersatzanspruch bei unberechtigter Zwangsvollstreckung aus Urkunden über die sofortige Unterwerfung unter jene enthalten ist. § 799a ZPO lautet im hier maßgeblichen Zusammenhang:

„Hat sich der Eigentümer eines Grundstücks in Ansehung einer Hypothek oder Grundschuld in einer Urkunde nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 der sofortigen Zwangsvollstreckung in das Grundstück unterworfen und betreibt ein anderer als der in der Urkunde bezeichnete Gläubiger die Vollstreckung, so ist dieser, soweit die Vollstreckung aus der Urkunde für unzulässig erklärt wird, dem Schuldner zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der diesem durch die Vollstreckung aus der Urkunde oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung erbrachte Leistung entsteht.“ (Hervorhebungen durch den Autor).

Frage an die Grammatik-Experten unter Ihnen: Worauf bezieht sich das Wörtchen „dieser“? M.E. (siehe hier) auf den „in der Urkunde genannten Gläubiger“, also den ehemaligen Kreditgeber. So war es auch während des Gesetzgebungsverfahrens verlautet worden, jedenfalls nach dieser Quelle. Und nach einschlägigen Regeln bezieht sich das Demonstrativpronomen „dieser, diese, dieses“ auf das ihm zeitlich oder räumlich am nächsten stehende Bezugswort, siehe etwa hier, also auf den in der Urkunde bezeichneten Gläubiger, i.e. die Hausbank. Auch Schulte-Nölke, ZGS 2008, 368 und Binder/Piekenbrock, WM 2008, 1816, 1818 bei Fn. 41 sowie Frings, NWB Nr. 39 – 3685 – Fach 21, Seite 1639, 1647 verstehen den Gesetzeswortlaut so.

Nicht der gleichen Auffassung sind indessen Langenbucher, NJW 2008, 3171, 3173; Bachner DNotZ 2008, 644, 648 und Habersack NJW 2008, 3173, 3175. Sie (und wohl noch weitere)  gehen – ohne weitere Begründung – davon aus, dass nur der Vollstreckungsgläubiger, d.h. „der andere“ mit „dieser“ gemeint sein kann (also z.B. der Finanzinvestor, der nach Abtretung nun vollstreckt).

Lustig oder? Wie Binder/Piekenbrock, aaO., zu Recht darlegen, ist weder dem Gesetzestext noch seiner Begründung mit letzter Klarheit zu entnehmen, wer denn überhaupt Anspruchsgegner für den neuen Schutz sein soll. Beides lässt sich in beide Richtungen auslegen. Daran, dass das Haus ggf. weg ist (siehe mein Editorial hier), ändert der Schadensersatzanspruch ohnehin nichts.

Dabei wäre es so einfach gewesen: „jener andere“ oder „dieser Gläubiger“ hätten die Sache eindeutig geklärt. Aber offenbar war man im Finanzausschuss schon zu sehr auf dem Weg in die Krise, um eindeutige Gesetze zuwege zu bringen.

2 Reaktionen zu “Schuldnerschutz bei Kreditverkauf – grammatikalisch eindeutig zweideutig”

  1. D. Eckardt

    1) Grammatisch ist der Gesetzeswortlaut an sich eindeutig, denn es heißt „dieser“ (= der Letztere) und nicht „jener“ (= der Erstere). Schuldner des Schadensersatzanspruchs ist nach dem Wortlaut also in der Tat der ursprüngliche Gläubiger.

    2) Den neuen § 799a ZPO hat uns der Finanzausschuss beschert, der nur den neuen Gläubiger im Fall eines Gläubigerwechsels verschuldensunabhängig haften lassen wollte (dem vorausgehend ein gleichlautender Änderungsantrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD vom 24.6. 2008, s. http://news.iff-hh.de/media.php?t=media&f=file&id=3043). In der Begründung heißt es (Bericht des Finanzausschusses vom 26.6. 2008, BT-Drs. 16/9821):

    „Der Schadensersatzanspruch soll allerdings nur dann bestehen, wenn ein anderer als der in der Urkunde bezeichnete Gläubiger die Vollstreckung zu Unrecht betrieben hat. Denn in diesen Fällen besteht ein besonders schutzwürdiges Vertrauen des Schuldners. Er kann zum einen nicht damit rechnen, dass ihm gegenüber dem neuen Gläubiger vertragliche Ersatzansprüche wegen der ungerechtfertigten Vollstreckung aus der Urkunde zustehen. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung auf einem besonderen Vertrauen des Schuldners gegenüber dem ursprünglichen in der Urkunde bezeichneten Gläubiger beruht. Auf ein solches Vertrauensverhältnis kann sich ein neuer Gläubiger nicht berufen. Denn der Schuldner kann nicht verhindern, dass ihm an Stelle seines ursprünglichen Gläubigers im Wege der Abtretung, Vertragsübernahme oder durch andere Gestaltungen wie z. B. nach dem Umwandlungsgesetz, ein anderer, aus seiner Sicht nicht so vertrauenswürdiger Gläubiger gegenübersteht. “

    Das BMJ hatte demgegenüber vorgeschlagen, den vollstreckenden Gläubiger generell verschuldensunabhängig haften zu lassen, wenn die Vollstreckung aus einer vollstreckbaren Urkunde für unzulässig erklärt wird (vgl. PM vom 11.12. 2007 und Anlage 2 zum Bericht des Finanzausschusses aaO., S. 33). Auf die Idee, dass man den ursprünglichen Gläubiger haften lassen könnte, ist im Gesetzgebungsverfahren aber soweit ersichtlich nie jemand gekommen.

    3) Conclusio: Der „Gesetzgeber“ hat es mit der deutschen Sprache nicht so genau genommen und auf diese Weise das Gegenteil dessen zu Papier gebracht, was er regeln wollte. Sinn macht aber aus meiner Sicht nur das, was der Finanzausschuss regeln wollte, und so sollten wir m.E. das Gesetz dann auch verstehen.

    Beste Grüße, D. Eckardt

  2. Ulrich Wackerbarth

    ad 1) Das sehe ich genau so.
    ad 2) und 3) Der Bericht des FA ist zweideutig: Er stellt auf das dem ursprünglichen Gläubiger entgegengebrachte Vertrauen ab, so dass zunächst einmal ein Anspruch gegen diesen nahe liegt. Allerdings – das ist zuzugeben – sagt er auch, dass ein vertraglicher Anspruch gegen den neuen Gläubiger i.a.R. nicht gegeben sein wird und von daher könnte man in der Tat schließen, dass dieser fehlende Anspruch nun durch einen gesetzlichen ersetzt wird. Aber genausogut könnte man das als Argument dafür sehen, nunmehr den verschuldensabhängigen Anspruch gegen den ursprünglichen Gläubiger in einen verschuldensunabhängigen Anspruch gegen diesen ursprünglichen Gläubiger zu verwandeln. Ich meine nach wie vor, eindeutige Schlüsse sind bei dieser Begründung nicht möglich.

    Außerdem: Wenn die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus der Urkunde der ursprüngliche Gläubiger zu verantworten hat (z.B. weil die Unterwerfungserklärung nach § 307 BGB für unzulässig erklärt wird), m u s s der Gesetzgeber dann nicht den SchE gegen den ursprünglichen Gläubiger richten? Bei der Festlegung von Gefährdungshaftungstatbeständen darf sich der Gesetzgeber doch nicht „irgendeinen Haftenden“ suchen, sondern muss zielgerichtet vorgehen. Wenn man das Gesetz wie Sie auslegt, kann es dazu kommen, dass der neue Gläubiger für einen Fehler des alten haftet, der alte aber überhaupt nicht, weil man ihm kein Verschulden nachweisen kann. Ich hielte das für unverhältnismäßig.

    Andersherum wäre es allerdings möglicherweise genau so. Der alte Gläubiger müsste dann möglicherweise für Fehler des neuen Gläubigers einstehen. Denn der Grund für die Unzulässig-Erklärung spielt ja keine Rolle. Immerhin könnte man das unter dem Gesichtspunkt der Prävention rechtfertigen: Der Gesetzgeber ordnet die Haftung desjenigen für alles Folgende an, dem der Schuldner vertraut hat, weil er ihm und eben nur ihm vertraut hat, als er die Unterwerfungserklärung unterschrieben hat.

    Und wenn Sie sagen, während des Gesetzgebungsverfahrens sei niemand auf die Idee gekommen, den ursprünglichen Gläubiger haften zu lassen, dann frage ich mich, warum mindestens fünf Autoren auf diese Idee gekommen sind. Ich habe leider keine Quelle auf den Seiten der Bundesregierung mehr gefunden, aber während des Gesetzgebungsverfahren stand nach meiner Erinnerung eine verschuldensunabhängige Haftung der Hausbank durchaus zur Debatte. Irgendetwas scheint da doch wohl schief gelaufen zu sein.