Kündigungsschutz für Geschäftsführer zu teuer?

von Ulrich Wackerbarth

Bauer/Arnold greifen in ZIP 2010, 709 ff. unter dem Titel „Kann die Geltung des KSchG für GmbH-Geschäftsführer vereinbart werden“ ein unsägliches Urteil des OLG Frankfurt auf. In dieser Entscheidung hat das OLG Frankfurt § 14 KSchG kurzerhand zu einer Norm zwingenden Rechts umfunktioniert, die angeblich einen vertraglichen Kündigungsschutz des Geschäftsführers verbietet.

1. Worum gehts?

Der nämliche Geschäftsführer hatte in seinem Anstellungsvertrag durchsetzen können, dass zu seinen Gunsten das Kündigungsschutzrecht für Angestellte anzuwenden sei. Das hält das OLG Frankfurt für unvereinbar mit seiner Organstellung, gibt dafür allerdings nur eine abseitige und in keiner Weise nachvollziehbare, butterweiche Begründung.

2. Gemeinsam gegen das OLG Frankfurt

Die Argumentation des OLG Frankfurt greifen Bauer/Arnold zunächst überzeugend an. Die verworrene Begründung des Urteils sei hier stückweise zitiert (Tz. 44 bei juris):

„Die Wirkungen des § 1 Abs.1 und 2 KSchG konnten die Parteien hier nicht wirksam vereinbaren, denn deren Anwendung wäre mit der ungestörten Funktion des Organverhältnisses des Klägers als Geschäftsführer und damit mit § 35 Abs.1 GmbHG nicht zu vereinbaren.“

Soso, das hört sich recht abstrakt an, warum ist das eine mit dem anderen denn unvereinbar? Die Erläuterung folgt sofort:

„Mit der eigenverantwortlichen im Kern weisungsfreien Repräsentantenstellung ist die Existenz eines Arbeitsverhältnisses nicht zu vereinbaren.“

Was soll das denn nun wieder heißen? Was hat denn die mögliche Unvereinbarkeit der Arbeitnehmerstellung mit einer Organstellung mit der Frage zu tun, unter welchen Umständen die Kündigung eines Anstellungsverhältnisses vertraglich erschwert werden kann? Die Antwort ist einfach: Nichts. Das OLG übersieht etwas, das Studenten spätestens im zweiten Semester nicht mehr übersehen dürfen, nämlich die Vertragsfreiheit. Dass dem Geschäftsführer „im Kern“ keine Weisungen erteilt werden dürfen, stimmt im GmbH-Recht im Übrigen nicht. Ganz im Gegenteil ist der Geschäftsführer „im Kern“ Knecht der Gesellschafterversammlung (§ 37 Abs. 1 GmbHG).

Auch Bauer/Arnold weisen immerhin darauf hin, dass die Frage, ob der Organstellung ein Arbeitsverhältnis als Anstellungsvertrag zugrundegelegt werden darf, zwischen BAG und BGH und in der Literatur umstritten und ungeklärt ist (ZIP 2010, 711).

Im Urteil geht es verworren (oder soll man lieber verwirrt sagen?) weiter:

„Die Rechtfertigung einer Betriebsbedingtheit der Kündigung ist wegen der freien Unternehmerentscheidung zur Abberufung ausgeschlossen, wie sich auch die wesentlichen Verhaltenspflichten eines Geschäftsführers – bedeutsam für eine verhaltensbedingte Kündigung – nicht aus seiner Anstellung, sondern aus seiner Organstellung ergeben.“

Der verwirrende Satzbau verdeckt die Tatsache, dass das OLG ganz offensichtlich inhaltlich nichts zu sagen hat. Abberufen werden kann der Geschäftsführer organisationsrechtlich jederzeit. Die Beendigung seiner Organstellung setzt keine betriebs- oder sonstwie bedingte Kündigung des Anstellungsvertrags voraus. Dass sich die wesentlichen Verhaltenspflichten des Geschäftsführers aus der Organstellung ergeben und diese Organpflichten einer anstellungsvertraglichen Änderung nicht zugänglich sind, ist doch klar. Aber wieso soll deshalb die Anstellung jederzeit beendet werden können müssen? Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Ausgeschlossen ist es vielleicht, die Abberufung an die Voraussetzungen des KSchG zu binden – darum ging es hier jedoch nicht.

So auch Bauer/Arnold. Es sei nicht einsichtig, warum der Vereinbarung die Tatsache entgegenstehe, dass sich die wesentlichen Verhaltenspflichten eines Geschäftsführers aus seiner Organstellung ergeben (ZIP 2010, 711). Außerdem weisen sie dem OLG Frankfurt noch handwerkliche Fehler nach (Übersehen von § 2 Abs. 4 ArbGG, ebenfalls aaO. 711).

3. Hier trennen sich unsere Wege

Aber auch der Rest der Argumentation des OLG Frankfurt leuchtet entgegen Bauer/Arnold keineswegs ein. Im Urteil heißt es:

„Die enge Verzahnung der Organstellung mit der Anstellung bringt deshalb § 14 Abs.1 Ziff. 1 KSchG – klarstellend – zum Ausdruck.“ (Den Rest der fraglichen Tz. des Urteils erspare ich dem geneigten Leser, es kommt auch nichts Entscheidendes mehr).

Dass über § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG die Anstellung mit der Organstellung verzahnt wird, trifft im praktischen Ergebnis natürlich zu. Aber warum ergibt sich daraus der zwingende Charakter der Regelung? § 14 KSchG enthält doch nur eine default rule, die gesetzgeberische Wertung, dass man für die Kündigung des Geschäftsführers im Ausgangspunkt eben keine soziale Rechtfertigung benötigt. Einer vertraglichen Abänderung dieser Ausgangsregel zugunsten des Arbeitnehmers stehen keine benennbaren Gründe entgegen – ganz im Gegenteil. Das KSchG ist nur einseitig zwingend. Vereinbarungen über den Kündigungsschutz im Vorfeld sind nur zu Ungunsten des Arbeitnehmers verboten. Zu seinen Gunsten sind sie aber gerade zulässig. Warum sollte das bei einem Geschäftsführer anders sein?

§ 38 Abs. 2 GmbHG sieht jedenfalls nur ein Verbot bestimmter Erschwerungen des Widerrufs der Bestellung zum Geschäftsführer vor, nicht dagegen des Anstellungsvertrags. Demgegenüber bringt § 38 Abs. 1 GmbHG zum Ausdruck, dass der organisationsrechtliche Widerruf Entschädigungsansprüche „aus bestehenden Verträgen“ unberührt lässt. Damit wird das Trennungsprinzip zwischen Organstellung (Organisationsrecht) und Anstellung (Schuldrecht) gesetzlich fixiert. Der Erschwerung der Kündigung des schuldrechtlichen Anstellungsverhältnisses setzt das Gesellschaftsrecht überhaupt nichts entgegen. So wenig, wie im Ausgangspunkt Einwände dagegen bestehen, das Ende des Anstellungsverhältnisses an die Beendigung der Organstellung zu koppeln, gibt es umgekehrt berechtigte Einwände dagegen, das Anstellungsverhältnis gegenüber der Beendigung der Organstellung bestandsfest zu machen. Die Entscheidung der Gesellschaft, dem Geschäftsführer vertraglichen Kündigungsschutz zu gewähren, mag dumm und teuer sein, aber sie ist von der Privatautonomie gedeckt. Patriarchalischer Schutz der GmbH vor ihrem Geschäftsführer verkehrt im Übrigen die tatsächlichen Machtverhältnisse in ihr Gegenteil und ist damit selbst nur noch — willkürlich.

Bauer/Arnold sehen das indessen anders, liefern aber an der entscheidenden Stelle selbst keine Begründung. In ihrem Beitrag heißt es (aaO, S. 712):

„Wenn damit die möglichen finanziellen Folgen aus einer Anwendbarkeit des KSchG auf den Geschäftsführervertrag allein keine Begründung liefern, lässt sich die Entscheidung des OLG Frankfurt/M. nur noch durch die § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG zugrunde liegende gesetzgeberische Wertung rechtfertigen. Nach unserer Auffassung soll danach der für Arbeitnehmer geschaffene allgemeine Kündigungsschutz mit der Organfunktion eines GmbH-Geschäftsführers unvereinbar sein.“

Die Begründung für den zwingenden Charakter des § 14 KSchG ist also: „unsere Auffassung“ und heißt so viel wie „Wir meinen“. Ein argumentum ab auctoritate?

Was nach Bauer/Arnold allerdings durchaus gehen soll, ist die Vereinbarung eines Anschlussarbeitsverhältnisses (aaO 712). Auch ein ruhendes Arbeitsverhältnis, das nach der Abberufung wieder auflebt (aaO 709) verschafft dem Geschäftsführer angeblich den gewünschten Kündigungsschutz. Und oh Wunder: Auch dieses entsteht aufgrund einer Vereinbarung! Wenn also der Geschäftsführer mit solchen Vereinbarungen seinen Kündigungsschutz herbeiführen kann, warum dann nicht unmittelbar mit der im Fall gegebenen?

Gerade die Vereinbarung eines Anschlussarbeitsverhältnisses ist nach Bauer/Arnold jedenfalls dann möglich, wenn dafür eine „realistische Position“ im Unternehmen vorhanden ist und eine angemessene Vergütung vereinbart ist (aaO 712 f.) — über diese aus der Luft gegriffenen Voraussetzungen sollen die Parteien wohl möglichst einen Streit anfangen, man muss ja schließlich auch an das Anwaltshonorar denken.

Vermutlich heißt das dann auch: Wenn ein Anschlussarbeitsverhältnis vereinbart wird, unter dessen Vergütungsregel der frühere Geschäftsführer – etwa über Provisionen als Investmentbanker – u.U. mehr verdienen könnte als bei seiner vorherigen Geschäftsführertätigkeit, dann genießt der künftige Arbeitnehmer keinen Kündigungsschutz? Eine solche Argumentation kann doch wohl nicht ernst gemeint sein!

4. Es geht ums Geld

Am Ende spielt die angebliche Unvereinbarkeit mit der Organstellung gar nicht die entscheidende Rolle. Letztlich geht es doch nur wieder ums Geld. Das bestreiten Bauer/Arnold eigentlich vehement (ZIP 2010, 712). Dass es in Wahrheit aber die finanziellen Folgen für die Gesellschaft sind, vor denen die Autoren offenbar die arme GmbH bewahren wollen, zeigt der unmittelbar folgende Abschnitt des Beitrags:

„§ 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG ist eine für die Parteien des Geschäftsführervertrags zwingende Vorschrift, die weder durch einen allgemeinen Verweis auf das KSchG noch durch eine vergleichbare Regelung im Geschäftsführervertrag („Abschreiben des Gesetzes“) umgangen werden darf. Die gesetzgeberische Wertung rechtfertigt sich dadurch, dass unabhängig von den rein finanziellen Folgen bei Anwendung des KSchG die Möglichkeit zur Beendigung des Geschäftsführervertrags für die GmbH auf Dauer ungewiss wäre. Die Gesellschaft müsste im Fall der Abberufung des Geschäftsführers damit rechnen, den unter dem Schutz des KSchG stehenden Geschäftsführervertrag dauerhaft fortsetzen zu müssen, zumindest bis zum Erreichen einer etwaig vertraglich vereinbarten Altersgrenze. Wäre der Geschäftsführer trotz Widerrufs seiner Bestellung weiterhin zu unveränderten Konditionen weiterzubeschäftigen, müsste die GmbH faktisch für unbestimmte Zeit zumindest zwei Geschäftsführer bezahlen. Die dauerhafte Verpflichtung zur Fortzahlung der Vergütung wäre eine unzulässige Umgehung der jederzeitigen Abberufungsmöglichkeit gem. § 38 Abs. 1 GmbHG.“

Nach diesen Ausführungen sind die finanziellen Folgen also einerseits unbeachtlich, andererseits begründen aber genau diese finanziellen Folgen die „unzulässige Umgehung der jederzeitigen Abberufungsmöglichkeit“. Das ist wertungswidersprüchlich und als Argumentation insgesamt ein untauglicher Versuch.

Angesichts der Äußerungen von Goette in FS Wiedemann, S. 887 ist freilich zu befürchten, dass sich der BGH der unzureichend begründeten Auffassung des OLG Frankfurt und von Bauer/Arnold anschließen wird. Auch das einzige Argument Goettes aaO. ist nämlich „Geld“ (Unzumutbarkeit der Besoldung von zwei Geschäftsführern für eine bestimmte Zeit).

5. Zum Schluss

Das Trennungsprinzip von Organstellung und Anstellungsverhältnis wird momentan so gehandhabt, wie es dem Auslegenden gerade in den Kram passt. Wenn es nützt, sind Organstellung und Anstellungsverhältnis nicht trennbar (Vergütungszuständigkeit des herrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers, Kündigung des Geschäftsführers). Wenn solche Zusammenhänge aber gerade nicht in das eigene (Vor-)Verständnis passen, dann gilt das Trennungsprinzip durchaus (Organstellung bei der Tochtergesellschaft aufgrund Anstellungsvertrags mit der Mutter). Rechtsprechung und Literatur agieren hier besonders doppelzüngig.

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