Vergleich über Rückzahlungsansprüche aus Kapitalerhaltung?

von Ulrich Wackerbarth

Kurzer Beitrag von Kock in der NZG 2006, 733: Über Rückzahlungsansprüche wegen Verstoßes gegen die Kapitalerhaltung dürfe die Gesellschaft mit dem zur Rückzahlung verpflichteten Gesellschafter einen Vergleich schließen.

Denn eine andere Auffassung könne „die Gläubigerschutzvorschrift ad absurdum führen, wenn eine die Existenz der GmbH möglicherweise sichernde (und damit mittelbar die Gläubiger schützende) Teilrückzahlung an die Gesellschaft verboten wäre, obwohl die Norm ein solches Verbot nicht eindeutig enthält.“

Davon, dass umgekehrt die Zulässigkeit des Vergleichs möglicherweise den Gläubigerschutz ad absurdum führt, wenn nämlich eine für die Existenzsicherung der GmbH möglicherweise notwendige (und damit unmittelbar die Gläubiger schützende) Vollrückzahlung an die Gesellschaft verhindert wird, sagt Kock leider nichts.

Sein Hauptargument lautet: In vielen anderen Vorschriften über die Kapitalsicherung wird auch der Vergleich verboten (so etwa in § 9 b GmbHG, in § 31 Abs. 4 dagegen nicht. Diese Argumentation berücksichtigt nicht, was der derzeitige Vorsitzende des zuständigen Senats Goette zu § 31 Abs. 4 gesagt hat, nämlich in DStR 1997, 1499: „Im Schrifttum wird aus einer Parallelbetrachtung zu § 19 Abs. 2 GmbHG teilweise hergeleitet, im Rahmen des § 31 GmbHG seien Leistung an Erfüllungs Statt, Aufrechnung und sogar Stundung unbeschränkt zulässig. Dem wird man allerdings schwerlich folgen können, wobei schon die Wortinterpretation, erst recht aber der Verweis auf die in der Novelle 1980 nicht angetastete Bestimmung des § 31 Abs. 4 GmbHG nicht überzeugt, wenn man sich die Entstehungsgeschichte dieser Novelle und die zahlreichen in der Folgezeit erforderlichen Korrekturen der Rechtsprechung an ihr vergegenwärtigt. Maßstab für die Auslegung ist der Sinn der Vorschrift; soll die Wiederherstellung eines zur Deckung der Stammkapitalziffer erforderlichen Gesellschaftsvermögens durch die Erstattungspflicht erreicht werden, dann sind alle Ersatzmaßnahmen verboten, die dieses Ziel nicht erreichen können. Mit guten Gründen ist deswegen in der neueren Literatur vertreten worden, daß der Erstattungsanspruch sofort erfüllt werden muß und nicht gestundet werden darf und daß – wie bei § 19 Abs. 2 GmbHG – auch eine Aufrechnung ausscheidet.“ Aus diesen Worten, obschon sie nicht unmittelbar zur Frage des Vergleichs Stellung nehmen, spricht ein anderer Geist.
Aber egal, wie der zweit Senat entscheiden wird: Jedenfalls haben in der zu beurteilenden Konstellation ein oder mehr Gesellschafter (vielleicht sogar alle!) den Gläubigern der Gesellschaft (!!!) haftendes Vermögen der GmbH entzogen. Dann dürfte es doch klar sein, das auch nur die Gläubiger der Gesellschaft einen Vergleich über die Frage des Verzichts auf die Rückzahlung abschließen können. An ihrer Stelle kann es wohl auch der Insolvenzverwalter. Aber dass die noch fortgeführte Gesellschaft, sprich: die Gesellschafter selbst im Wege des Beschlusses, entscheiden können soll, das aus der Gesellschaftskasse genommene Geld nun endgültig (teilweise) nicht zurückzufordern, stellt den Gläubigerschutz im Recht der Haftungsbeschränkung von den Füßen auf den Kopf.

Sollte sich diese – wie ich zu meinem großen Erstaunen und Entsetzen bei der Prüfung einschlägiger Kommentare feststellen musste: tatsächlich – herrschende Literaturmeinung in der Praxis durchsetzen, ist ein schönes Loch in den Kapitalerhaltungswall gerissen. Der Alleingesellschafter beschließt dann einfach über einen Vergleich, nach dem die Gesellschaft gegen ihn keine Ansprüche mehr hat. Helfen kann dann – wie stets – nur noch das Recht der Insolvenzanfechtung: Der Vergleich ist, soweit er eine unentgeltliche Zuwendung an den Gesellschafter enthält, jedenfalls in der späteren Insolvenz der Gesellschaft anfechtbar. Um so mehr ist mit Argusaugen darüber zu wachen, dass den Bemühungen der Praxis nicht auch noch das Insolvenzanfechtungsrecht zum Opfer fällt.

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