Verjährungshemmung bei Rechtsverfolgung durch Nichtberechtigten?

von Bernhard Kresse

Einen Aufsatz mit dem Titel „Verjährungshemmung nur bei Klage des Berechtigten?“ veröffentlichte Dieter Rabe in der NJW 2006, 2089. Der Aufsatz befasst sich mit der Frage, ob §  204 Nr. 1 BGB dahingehend zu verstehen sei, dass ausschließlich eine Klage des Berechtigten Hemmungswirkung entfalte. Dies bejaht der Verfasser unter Hinweis auf den Willen des Gesetzgebers.

In der Tat war vor der Schuldrechtsreform die Anspruchsberechtigung der klagenden Partei gem. § 209 Abs. 1 BGB a. F. Voraussetzung für die – damals noch – Verjährungsunterbrechung. Aus dem Wortlaut des § 204 Nr. 1 BGB n. F. ergibt sich die Anspruchsberechtigung jedoch nicht mehr als Hemmungsvoraussetzung. Rabe vertritt nun die Auffassung, dass die Materialien zur Schuldrechtsreform wiederholt auf den „Berechtigten“ rekurrierten, so dass sich hieraus der Wille des Gesetzgebers entnehmen lasse, nur der Klage des Berechtigten verjährungshemmende Wirkung zukommen zu lassen.

Die Frage, ob ein Nichtberechtigter die Hemmung der Verjährung herbeiführen kann, stellt sich allerdings nicht nur für die Klageerhebung, sondern auch für die übrigen Tatbestände der Rechtsverfolgung im Sinne des § 204 BGB sowie für Verhandlungen nach § 203 BGB.

Die Auffassung Rabes halte ich aus zwei Gründen nicht für richtig: Zum einen erwähnen zwar die Gesetzgebungsmaterialien wiederholt den „Berechtigten“. Hieraus aber ableiten zu wollen, es widerspreche dem Willen des Gesetzgebers, wenn auch die Klage eines Nichtberechtigten die Verjährung hemme, geht zu weit, weil die Klage des Berechtigten ganz einfach den Normalfall darstellt und die Erwähnung des „Berechtigten“ in den Materialien genau darin ihren Grund findet. Aus den Materialien ist nicht ersichtlich, da der Gesetzgeber sich überhaupt die Frage gestellt hat, ob die Klage eines Nichtberechtigten gleichfalls Hemmungswirkung entfaltet. Zum anderen kommt dem subjektiven Willen des Gesetzgebers nur dann maßgebliche Bedeutung zu, wenn er im Gesetzeswortlaut wenigstens angedeutet wird. Daran fehlt es hier, im Gegenteil.

Allein sinnvoll ist vielmehr die Frage nach dem Sinn und Zweck der Verjährungshemmung. Die Verjährung soll das Vertrauen des Schuldners darauf schützen, dass er nach Ablauf eines bestimmten Zeitraumes zur Leistung nicht mehr gezwungen werden kann. Die Verjährung dient daher dem Rechtsfrieden. Vertrauen verdient der Schuldner jedoch nicht, solange der Gläubiger im Sinne des § 204 BGB Rechtsverfolgung betreibt oder gemäß § 203 BGB mit dem Schuldner verhandelt. In diesen Fällen muss er ja gerade damit rechnen, noch zur Leistung gezwungen zu werden. Er kann dann nicht darauf vertrauen, der Gläubiger werde kein Interesse mehr an der Leistung haben. Maßgeblich für die Frage, ob auch die Rechtsverfolgung oder Verhandlungsführung eines Nichtberechtigten zur Verjährungshemmung führt, ist also, ob in diesem Fall der Schuldner gleichfalls mit einem Zwang zur Leistung rechnen muss. Die Antwort lautet: nein, weil die Handlungen eines Nichtberechtigten keine Rückschlüsse darauf ziehen lassen, ob auch der Berechtigte zur Rechtsverfolgung oder zu Verhandlungen bereit ist. Hinzu kommt, dass der Schuldner bei der Geltendmachung eines Anspruchs durch einen Nichtberechtigten nicht unbedingt wissen muss, um welchen Anspruch es eigentlich geht. Denn wenn A einen Anspruch gegen C hat, dieser aber von B verklagt wird, muss C nicht unbedingt Rückschlüsse darauf ziehen, dass der Anspruch des A gemeint ist. In der Regel wird diese Konstellation zwar in Abtretungsfällen vorliegen, wenn nämlich A seinen Anspruch an B abgetreten hat, aber die Abtretung unwirksam ist. Wegen der im Interesse der Rechtssicherheit jedoch erforderlichen schematischen Betrachtungsweise bei der Auslegung von Verjährungsvorschriften, kann es auf die individuelle Konstellation nicht ankommen; schematisch muss jedoch C, wenn er von B verklagt wird, nicht damit rechnen, dass ein Anspruch des A gemeint ist.

Aus alledem folgt, dass Rabe zwar im Ergebnis recht hat; dies aber nicht auf einer historischen Auslegung der §§ 203 f. BGB beruht, sondern auf einer teleologischen Interpretation der Verjährungsvorschriften.

Kommentarfunktion ist deaktiviert