Thesaurierung im Konzern – Aktuelles zum „Otto“-Fall

von Ulrich Wackerbarth

Priester beschäftigt sich in der DStR 2007, 28ff. unter dem Titel „Jahresabschlussfeststellung bei Personengesellschaften – Grundlagengeschäft? – Mehrheitsregeln – Thesaurierung im Konzern“ mit dem Otto-Fall, den das OLG Hamburg im vergangenen Jahr (AG 2006, 45) entschieden hat. Vereinfacht geht es dabei unter anderem um die Frage, ob die Mehrheit in einer GmbH & Co KG die von der KG abhängigen Gesellschaften als „Sparkassen“ benutzen kann und die von diesen Töchtern erwirtschafteten Gewinne dort belassen kann. Ist das zulässig, so könnte eine Minderheit in der Obergesellschaft „ausgehungert“ werden: Auch wenn im Gesellschaftsvertrag der Obergesellschaft geregelt ist, dass sämtliche Gewinne auch ausgeschüttet werden, würde die Thesaurierung in den Töchtern diese Regel praktisch wertlos machen.

Das OLG meint, im Grundsatz dürfe ein Gewinnbezugsrecht des Kommanditisten der Obergesellschaft nicht durch eine Thesaurierung bei den Töchtern ausgehöhlt werden. Ein Vollausschüttungsgebot bei der Mutter ist m.a.W. auf die in den Töchtern angefallenen Gewinne zu übertragen. Der Gesellschaftsvertrag der Otto-KG enthielt freilich kein solches Vollausschüttungsgebot. Es war nur geregelt, dass die über 20% hinausgehenden Gewinne nicht gegen den Willen einer qualifizierten Minderheit thesauriert werden dürfen. Nach Auffassung des OLG Hamburg war schon tatsächlich nicht ausreichend vorgetragen, dass mehr als 20% der Gewinne einbehalten werden sollten. Es wies die Klage der Minderheit daher ab.

Priester stellt zunächst kurz den Meinungsstand dar, aaO S. 31. Seiner eigenen Auffassung zufolge hat selbst ein Vollausschüttungsgebot in der Obergesellschaft nicht zwingend eine Übertragung auf die Töchter zufolge. Die Geschäftsführung der Obergesellschaft habe vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen über die Gewinnverwendung der Tochter zu entscheiden. Übermäßige Ausschüttungen könnten gegen das Interesse der Minderheitsgesellschafter und der Gläubiger der Tochter (!) verstoßen. Die Obergesellschaft müsse deshalb aufgrund ihrer Treupflicht (gegenüber der Tochter) für eine „gewisse Rücklagenbildung“ bei der Tochtergesellschaft sorgen. Das zulässige Maß der Thesaurierung bei einer Tochtergesellschaft hänge vom Einzelfall ab. Dabei könne man von der Grundregel des OLG Hamburg zwar ausgehen, bei ernstzunehmende Gründen für eine Thesaurierung handele das Geschäftsführungsorgan der Mutter jedoch nicht pflichtwidrig, wenn es eine Thesaurierung vornehme (aaO S. 32).

Dem vermag ich mich nicht anzuschließen. Priester stellt die gesellschaftsvertraglichen oder satzungsmäßigen Rechte der Minderheit in der Obergesellschaft unter einen allgemeinen Geschäftsführer-Ermessensvorbehalt, für den er weder ein Maß (Begrenzung) noch eine Begründung gibt. Vor allem unterscheidet er in seiner Begründung – ebensowenig wie das OLG Hamburg – nicht zwischen 100%igen Tochtergesellschaften und solchen Töchtern, an denen die Otto-KG nur als eine von mehreren Gesellschafterinnen beteiligt ist. Die Begründung mit der Treuepflicht trägt nicht gegenüber 100%igen Töchterrn. Denn die Mutter trifft gegenüber einer 100%igen Tochter gerade keine Treuepflicht! Auf 100%ige Töchter ist ein Vollausschüttungsgebot (und jede andere Regel über die Gewinnverwendung) bei der Obergesellschaft deshalb unbesehen zu übertragen. Es wäre auch kaum einzusehen, warum in der Obergesellschaft selbst eine Vollausschüttung zulässig sein sollte, in der 100%igen Tochter dagegen nicht. Die Interessen der Gläubiger der Tochter werden entweder durch die Haftung der Gesellschafter (Personengesellschaft) oder durch die Kapitalerhaltung (AG, GmbH) ausreichend gewahrt. Im Ergebnis bedeutet das, die Regel der Obergesellschaft über die Verwendung auf den gesamten ausschüttbaren Gewinn von Mutter und allen 100%igen Tochter- bzw. Enkelgesellschaften zu beziehen.

Soweit die Tochtergesellschaften hingegen keine 100%igen sind, benötigt man den Rückgriff auf die Treuepflicht ebensowenig. Bei derartigen Töchtern ist die Obergesellschaft (Otto) nämlich nur Mehrheitsgesellschafterin und damit an einen Gesellschaftsvertrag mit anderen Gesellschaftern gebunden. Die sich aus diesem Gesellschaftsvertrag ergebende Gewinnverteiligungsregel hat jedenfalls Vorrang vor der bei Otto bestehenden Regel. Es bleiben dann noch zwei Fragen übrig: wie muss erstens die Geschäftsführung der Obergesellschaft in der Tochter abstimmen, soweit ein Gesellschafterbeschluss die Verwendung endgültig regelt? Diese Frage beantwortet sich entweder aus der Satzung oder dem Gesellschaftvertrag der Obergesellschaft oder aus einer Gesellschafterweisung. Nur wenn danach ein Ermessensspielraum für die Geschäftsführung verbleibt, kann sie in der Tochter so abstimmen, wie sie es für richtig hält. Bei der Otto-KG spricht viel dafür, der Geschäftsführung hier ein Ermessen nur über bis zu 20% der ausschüttbaren Gewinne einzuräumen und sie ansonsten für verpflichtet zu haten, für eine Gewinnausschüttung zu stimmen. Das glaube ich deshalb, weil die entsprechende Satzungsbestimmung wohl den Gesamtkonzern im Auge hat und nicht einfach den weiten Bereich der Gewinne von Töchtern dahinstehen lassen wollte.

Und zweitens fragt sich, wie mit dem von solchen Beteiligungsgesellschaften tatsächlich an Otto ausgeschütteten Gewinn weiter zu verfahren ist. Muß nun noch einmal die 20%-Regel angewendet werden? M. E. spricht vieles dafür, es mit der einmal in der mehrgliedrigen Tochter getroffenen Thesaurierungsentscheidung gut sein zu lassen. Was an Gewinn aus mehrgliedrigen Töchtern zur Otto-KG gelangt, muss deshalb vollständig ausgeschüttet werden. Dies könnte freilich der Gesellschaftsvertrag der Otto-KG anders regeln, hat es wohl aber nicht getan.

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