Meilicke über den Insolvenzschutz beim Squeeze-out
von Ulrich Wackerbarth
W. Meilicke schreibt in der AG 2007, S. 261ff zur „Verfassungsmäßigkeit der Squeeze-out-Regelungen – insbesondere in der Insolvenz des Hauptaktionärs“. Er untersucht dabei insbesondere die Entscheidung des BGH vom 28.5.2005, die die teilweise fehlende Insolvenzsicherung der Ansprüche der ausgeschlossenen Aktionäre für verfassungsmäßig gehalten hat. Meilicke nimmt zunächst Stellung zum Argument des BGH, das Insolvenzrisiko sei nur allgemeines Gläubigerrisiko (S. 263). All das, was Meilicke dort sagt, überzeugt mich nicht. Zwar kann in der Tat der Hauptaktionär (z.B. als limited mit 1 Pfund Mindestkapital) darauf angelegt sein, dass die hinter ihm stehenden Personen sich einer Haftung entziehen. Doch gilt das nicht nur in der Sondersituation Squeeze-out, sondern stets, ist also nur ein allgemeines Problem. Nichts anderes sagt der BGH. Eine perfekte Sicherung fordern auch nicht das BVerfG oder der EGMR. Und der BGH argumentiert auch nicht – wie Meilicke schreibt – bei anderen Strukturmaßnahmen sei nicht einmal ein Spruchverfahren vorgesehen. Vielmehr sagt der zweite Senat, bei anderen Strukturmaßnahmen gebe es überhaupt keine Insolvenzsicherung.
Anschließend meint W. Meilicke auf S. 263f., dem BGH sei bei seiner Aussage, es gehe hier nur um allgemeines Lebensrisiko, offenbar selbst nicht ganz wohl. Sonst habe er nicht zu argumentieren brauchen, dass die Angemessenheit der Abfindung durch gerichtlich bestellte Wirtschaftsprüfer zu prüfen ist. Diese Aussage des BGH findet sich jedoch unter 1. der Entscheidungsgründe und bezieht sich überhaupt nicht auf das Insolvenzrisiko (dazu 2. und 3. der Gründe), sondern allein auf die Frage, ob die Squeezeout-Regelung insgesamt einen Bias zugunsten des Hauptaktionärs enthält. In Bezug auf die Insolvenzfestigkeit der (erhöhten) Abfindung sagt der BGH nur, es handele sich eben um ein allgemeines Gläubigerrisiko, vor dem ein Schutz nicht verfassungsrechtlich geboten sei. Die Entscheidung des BGH hat daher die Frage, die Meilicke in seinem Aufsatz offenbar beantworten will, überhaupt nicht aufgeworfen.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, auch ich halte ich die Entscheidung des BGH für nicht überzeugend, soweit sie sich nicht nur auf die Insolvenzsicherung bezieht. Wenn der 2. Senat etwa meint, die Festlegung der Abfindung durch den Hauptaktionär (!) sei ohne Bedeutung, weil sie in einem zweiten Schritt von unabhängigen Prüfern (die freilich vom Hauptaktionär vorgeschlagen werden!) geprüft werde, so spricht aus dieser Aussage schon ein ganz erhebliches Maß an Naivität oder aber Unehrlichkeit: Wer zuerst sagen darf, um wie viel es gehen soll, setzt selbstverständlich einen Rahmen, von dem letztlich nur in gewissen Grenzen abgewichen werden wird. Und wer dem Gericht vom Hauptaktionär als Prüfer vorgeschlagen worden ist, wird letztlich doch sehr wohl wissen, wem er seinen Prüfungsauftrag verdankt (Wes Brot ich ess, usw., so auch zu Recht Meilicke, S. 265). Über diesen verfassungsrechtlich zweifelhaften Verstoß gegen das Gebot der Waffengleichheit hilft auch nicht der erstaunlich pauschale Hinweis des BGH hinweg, einzelne Mißstände bei Wirtschaftsprüfern dürften nich einen ganzen Berufsstand in Mißkredit bringen.
Lesenswert ist übrigens noch der Bericht von Meilicke über einen Squeeze-out Fall aus den USA (S. 269f.): Dort finden praktisch Verhandlungen zwischen Mehrheit und Minderheit über den Preis statt, zu dem die Aktionäre ausgeschlossen werden können. Mich überrascht das nicht, weil in den USA ganz generell und anders als im deutschen Gesellschaftsrecht der Minderheitenschutz eben nicht durch ungleiche Waffenverteilung vereitelt wird. Das ist übrigens einer der Gründe dafür, dass dort ein florierender Kapitalmarkt existiert, während bei uns kaum ein Kleinanleger Aktien kauft.