Halbwahrheiten und falsche Tatsachen über einen Beschluss zu Kreditverkäufen durch Banken
von Ulrich Wackerbarth
Ich werde nicht gerne manipuliert! Erschreckt hat mich deshalb das Editorial in der aktuellen NJW (Heft 38), zu finden hier. Da verbreitet sich ein Herr RA Flor über den Kreditverkauf durch Banken. Er kritisiert und dramatisiert eine aktuelle Entscheidung des LG Hamburg, in dem sich das Gericht der von Schimansky vertretenen Auffassung (siehe dazu hier) anschließt und die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung für unwirksam hält. Der Beschluss hätte Flors Meinung nach bei Aufrechterhaltung durch den BGH „weitreichende Folgen für das Kreditgeschäft“. Offenbar glaubt er, weitreichende Folgen sprechen per se gegen verbraucherschützende Entscheidugnen. Der Argumentationswert solcher Entscheidungsfolgenabschätzung ist gleich Null. Natürlich lässt der bei Mayer Brown beschäftigte Jurist auch jede Interessenabwägung vermissen. Flor behauptet einfach: „Mit der Übertragung der Sicherheiten samt Zwangsvollstreckungsunterwerfung auf einen Finanzinvestor entsteht kein erhebliches Missbrauchspotenzial.“ Punkt. Basta. Begründung: Das Zivilrecht und Zivilprozessrecht reichten zum Schutz aus. Genau, so möchte man sagen, und auf welche Weise das Zivilrecht vor dem durchaus vorhandenen Missbrauchspotenzial schützen kann, hat das LG in seiner Entscheidung dargestellt. Das alles kann man aber natürlich sehen wie man will.
Es geht aber nicht an, dass Herr Rechtsanwalt Flor den Richtern des LG Hamburg Aussagen in den Mund legt, die diese überhaupt nicht gemacht haben.
„Etwaige Schadensersatzansprüche wegen missbräuchlichen Verhaltens müssten unberücksichtigt bleiben, da solche Ansprüche gegen eine möglicherweise im Ausland ansässige Gesellschaft ohne wesentliche Substanz kaum durchsetzbar seien.“
Das LG Hamburg hat indessen in seinem Beschluss an keiner Stelle von einer möglicherweise im Ausland ansässigen Gesellschaft ohne wesentliche Substanz gesprochen. Wer das nicht glaubt, kann sich hier davon überzeugen
Es geht noch weiter: Ein Argument des LG Hamburg für seine Auffassung ist: Finanzinvestoren sind keine Banken und unterliegen nicht wie diese gem. § 6 KWG der staatlichen Aufsicht. Dazu muss man wissen, dass die staatliche Aufsicht und das KWG u.a. die Eigenkapitalausstattung und die Zahlungsfähigkeit der Bank sichern. Vor Mißbrauch wird sie sich hüten, weil daraus folgende Schadensersatzansprüche gegen sie gute Aussicht auf Durchsetzung haben. Bei nicht dem KWG unterliegenden Finanzinvestoren sieht das anders aus. Deshalb argumentiert das Gericht, bei Finanzinvestoren sei die Durchsetzbarkeit von Ersatzansprüchen nicht in der gleichen Weise gesichert wie bei Banken.
Gut nachvollziehbar oder?
Daraus macht Herr Flor:
„Die Annahme, dass Kunden über die Bankenaufsicht nach § 6 KWG besonders vor Rechtsmissbrauch geschützt seien, ist unzutreffend. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist nur zur Ahndung von Verstößen gegen das Kreditwesengesetz ermächtigt. Das zivilrechtliche Verhältnis zwischen Darlehensnehmer und Bank ist der aufsichtsrechtlichen Kontrolle grundsätzlich entzogen. Schon aus rechtsstaatlichen Gründen kann ein erhöhtes Missbrauchspotenzial nicht darin gesehen werden, dass ein Grundschuldgläubiger in einer Branche (hier: Finanzinvestoren) tätig ist, der das Gericht ohne konkretes Fehlverhalten unterschwellig einen erhöhten Rechtsmissbrauch unterstellt.“
Hanebüchen: Flor dreht dem Gericht die Worte in bester Winkeladvokatenmanier im Munde herum und unterstellt eine Argumentation, die das Gericht nicht einmal versucht hat. Nicht das Gericht unterstellt unterschwellig „erhöhten Rechtsmissbrauch“ (was soll das bitteschön auch sein, etwas Schlimmeres als „einfacher Rechtsmißbrauch“?), sondern Flor unterstellt dem Gericht unterschwellig Rechtsmißbrauch. Ich selbst halte das Editorial von Herrn Flor für einen „erheblich erhöhten“ Argumentationsmißbrauch.
Am 4. November 2008 um 15:39 Uhr
Das LG München (Beschluss v. 28. und 29.10.2008 – 4 O 18517/08)
übernimmt die Argumentation von Schimansky. Mit Beschluss. v. 28.10.2008 wurde die Zwangsvollstreckung des Investors aus vollstreckbarer Grundschuld einstweilen gegen Sicherheitsleitung eingestellt und mit Beschluss v. 29.10.2008 ohne Sicherheitsleistung.
Quelle: http://sicherungsgrundschuld.de/
Am 4. November 2008 um 15:51 Uhr
Das LG München hat allerdings nicht die Argumentation von Schimansky übernommen, sondern will nur das Revisionsverfahren zu der Entscheidung des LG Hamburg abwarten…