Gleichlauf der Grenzen der Testier- und der Vertragsfreiheit im Gesellschaftsrecht

von Bernhard Kreße

Christine Budzikiewicz untersucht in ihrem Aufsatz „Die letztwillige Verfügung als Mittel postmortaler Verhaltenssteuerung“ (AcP 209 [2009], 354-397) die Frage, inwieweit zwingendes Gesellschaftsrecht die Testierfreiheit beschränken kann. Insbesondere geht es um das Problem der Vorgabe der Aufnahme sogenannter Hinauskündigungsklauseln in einen Gesellschaftsvertrag durch den Erblasser. In diesem Kontext zeigt Budzikiewicz zutreffend erhebliche Widersprüchlichkeiten in der Argumentation der herrschenden Meinung, insbesondere des II. BGH-Zivilsenats, auf:

Zum einen hält die h. M. zwar Lebensführungsklauseln für unwirksam (§§ 138, 242 BGB), wenn sie geeignet sind, im Erben einen „unzumutbaren Druck“ zu erzeugen. Dieser Aspekt wird jedoch bei der Prüfung der testamentarischen Anordnung von Hinauskündigungsklauseln überhaupt nicht gesehen. Zum anderen legt die h. M. unterschiedliche Maßstäbe an die Wirksamkeit von Hinauskündigungsklauseln an, je nachdem ob diese durch Rechtsgeschäft unter Lebenden oder durch Verfügung von Todes wegen angeordnet wird. Zur Begründung muß die Testierfreiheit herhalten – die jedoch, wie Budzikiewicz zutreffend bemerkt, zwingendes Recht nicht auszuhebeln vermag.

Es verwundert, daß diese juristische Selbstverständlichkeit bisher insbesondere vom BGH unbeachtet blieb. Denn in der Tat kann es doch keinen Unterschied machen, ob eine Regelung, die materiell-rechtlich sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB ist, aufgrund rechtsgeschäftlicher Verhandlungen unter Lebenden oder aufgrund einer Verfügung von Todes wegen getroffen wurde. Das „Gefühl aller billig und gerecht Denkenden“, das den Inhalt einer bestimmten Klausel mißbilligt, ändert sich ja dadurch nicht, daß eben diese Klausel nicht im Verhandlungswege vereinbart, sondern testamentarisch angeordnet wird. Der Inhalt der Klausel ist stets derselbe, ist also per se sittenwidrig oder eben nicht. Und das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden mißbilligt ja nicht die Entstehungsgeschichte einer Hinauskündigungsklausel, sondern eben deren Inhalt. Warum soll der Inhalt der Klausel nicht mehr mißbilligenswert sein, nur weil sie einseitig vom Erblasser vorgegeben wurde? Dies leuchtet nicht ein, was Budzikiewicz dogmatisch fundiert und argumentativ höchst überzeugend deutlich ausführt.

Auch der Erblasser darf also gemäß § 138 Abs. 1 BGB keine sittenwidrigen Verfügungen treffen. § 138 Abs. 1 BGB steht im allgemeinen Teil des BGB und gilt daher auch für das 5. Buch. Daß der Sittenwidrigkeitsmaßstab sich nicht durch die Wahl des Mediums einer letztwilligen Verfügung im Gegensatz zur Vertragsverhandlung ändert, mag man zu widerlegen versuchen und sodann die testamentarisch angeordnete im Gegensatz zur vertraglich frei verhandelten Hinauskündigungsklausel für zulässig halten wollen. Dies dürfte immerhin schwierig werden; allerdings geht die h. M. hierauf überhaupt nicht ein. Der bloße Hinweis auf die „Testierfreiheit“ ist nicht aussagekräftiger als es der Hinweis auf die „Vertragsfreiheit“ wäre, der im Rahmen der geschilderten Problematik jedoch regelmäßig unterbleibt.

Entsprechendes gilt im übrigen für andere zwingende Normen insbesondere aus dem Gesellschaftsrecht. Ius cogens verliert den zwingenden Charakter nicht durch das Vorliegen eines Testaments.

Dankenswerterweise widersteht Budzikiewicz der Versuchung, auf die oben kurz erwähnte „Druck“-Rechtsprechung inhaltlich näher einzugehen, wenngleich sie kurz skizziert wird. Insoweit könnte man überlegen und tut Budzikiewicz dies auch -, testamentarisch verfügte Hinauskündigungsklauseln nach dem Gedanken „Heredi non fit iniuria“ – so  ist auch einer der Gliederungspunkte überschrieben – stets für wirksam zu erachten. In der Tat mag der Erbe ja die Erbschaft ausschlagen, wenn er einer solchen Klausel nicht unterworfen sein möchte. Das Problem des Gleichlaufs mit aufgrund von freien Vertragsverhandlungen beschlossenen Hinauskündigungsklauseln bleibt jedoch, denn „volenti non fit iniuria“ müßte zu identischen Ergebnissen führen. Ohnehin vermag jedoch, wie Budzikiewicz schreibt, die Annahme der Erbschaft die Grenzen der Vertragsfreiheit nicht zu verändern.

Es ist zu hoffen, daß die Überlegungen von Budzikiewicz künftig insbesondere in der höchstrichterlichen Rechtsprechung beachtet werden.

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