Zur Arbeitsweise von (gewissen) Inkassobüros

von RA Dr. Oliver van der Hoff

1. Der nachfolgende Fall aus meiner anwaltlichen Praxis schildert das mehr als fragwürdige Vorgehen eines Inkassobüros:

Ein Unternehmer wendet sich im Jahr 1985 an ein Inkassobüro, da ihm gegen einen seiner Kunden Forderungen i.H.v. insgesamt 39.936,35 DM zustehen. Der Inhaber des Inkassobüros sendet dem Unternehmer seine Bedingungen und einige Auftragsformulare zu. Die Bedingungen lauten auszugsweise:

„1. Grundsätzlich volle Auszahlung der beigetriebenen Forderung;

2. Keine Verpflichtung zur Zahlung eines Betrages oder eines Erfolgshonorars, nur die Verzugszinsen werden einbehalten

5. Laufende Information über den Fortgang eines Verfahrens „

Der Unternehmer übersendet dem Inkassobüro nun ein von ihm unterschriebenes Auftragsformular. In dem Formular befindet sich ein Textfeld „Wir fordern __ Verzugszinsen!“ In die Leerstelle ist handschriftlich eine 10 eingetragen. Streitig ist, ob der Unternehmer die 10 selbst eingetragen hat, von dem Betreiber des Inkassobüros dazu veranlasst wurde oder dieser selbst die 10 eingetragen hat und muss daher dahingestellt bleiben. Der damalige gesetzliche Verzugszinssatz betrug bei Geschäften zwischen Unternehmern jedenfalls 5 %.

Das Auftragsformular ging dem Betreiber des Inkassobüros kurz vor Weihnachten zu. Nur drei Wochen später schloss er mit dem Schuldner des Unternehmers einen Teilzahlungsvergleich ab. Der Schuldner hielt nun die Ratenzahlungszusagen nicht ein. Der Anspruch einschließlich 10 % Verzugszinsen wurde im Wege des Mahnverfahrens tituliert. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen blieben zunächst erfolglos.

7 Jahre später, im Jahr 1992, fruchteten die Zwangsvollstreckungs-maßnahmen aber, insbesondere erhielt das Inkassobüro nun regelmäßige Zahlungseingänge aufgrund einer Lohnpfändung. Der Unternehmer ging zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr davon aus, seine Forderungen gegen den Schuldner jemals realisieren zu können. Auch während der nächsten Jahre erinnerte er sich nicht mehr an den Vorgang, vielmehr verstarb er 2005. Das Inkassobüro hatte ihn zu keinem Zeitpunkt darüber unterrichtet, dass es nunmehr regelmäßige Zahlungseingänge verbuchte.

Im Jahr 2008 erhielten die Erben des Unternehmers einen Brief des Schuldners, der darum bat, ihm die Restschuld aus der Geschäftsbeziehung nach nunmehr fast zwanzigjähriger „braver“ Ratenzahlung zu erlassen.

Die Erben baten daraufhin das Inkassobüro um Auskunft, wie viel Geld denn nun insgesamt von dem Schuldner geflossen sei. Nachdem sich der Betreiber des Inkassobüros mehrfach telefonisch verleugnen ließ, forderten ihn die Erben schriftlich auf, über die Zahlungseingänge zu informieren, und zwar unter Fristsetzung und Androhung der Einschaltung eines Anwalts.

Nach Ablauf der Frist übersandte der Inkassobürobetreiber seine Forderungsaufstellung, aus der sich ergab, dass der Schuldner im Laufe der Jahre 31.713,72 €  an das Inkassobüro gezahlt hatte. Von dieser Summe hatte der Inkassobürobetreiber keinen Cent an den Forderungsinhaber ausgezahlt und ihn bzw. seine Erben auch nicht informiert. Zur Erinnerung: Die Hauptforderung betrug umgerechnet 20.419,13 €.

Die Begründung liefert das Inkassobüro gleich mit: „Nach den Inkassobedingungen stehen dem Inkassobüro die Verzugszinsen in voller Höhe zu. Deshalb ergibt sich zu Ihren Gunsten derzeit kein Guthaben.“ Die laut Forderungsaufstellung noch offenen Verzugszinsen (der Schuldner hatte bis zu diesem Zeitpunkt die Einrede der Verjährung nicht erhoben) belaufen sich im Übrigen auf weitere 20.064,69 €.

2. Soweit zum Sachverhalt – nun zur Bewertung:

Natürlich darf ein Inkassobüro Verzugszinsen als Erfolgsprovision einnehmen. Ehrlicherweise sollte dann aber auch das Auftragsformular einen Satz enthalten wie „Der Auftragnehmer erhält als Erfolgshonorar die Verzugszinsen i.H.v. 10 %.“ Die Aufteilung der Honorarklausel auf zwei Formulare mit dem Zusatz „Kein Erfolgshonorar“ ist nicht nur intransparent, sondern darüber hinaus geeignet, beim Kunden des Inkassobüros einen Irrtum über die entscheidungserheblichen Umstände des Inkassovertrags zu erregen, um es einmal freundlich zu formulieren.

Außerdem: kann es wirklich sein, dass ein Inkassobüro über 20 Jahre eine Forderung beitreibt und die an das Büro geleisteten Zahlungen vollständig selbst behält? Darf ein Inkassobürobetreiber Zahlungseingänge nach dem Vorbild von § 367 BGB verrechnen, obwohl es bei der Honorarvereinbarung mit dem Unternehmer doch in erster Linie darauf verweist, dass es gerade keine Verpflichtung des Unternehmers zur Zahlung „eines Betrags oder eines Erfolgshonorars“ gebe? Und darf es das über 16 Jahre tun, ohne seinen Kunden in regelmäßigen Abständen (mindestens jährlich) über den Stand des Verfahrens und insbesondere die Zahlungsbemühungen des Schuldners zu informieren?

Der Sachverhalt scheint mir im Übrigen auch eine Mahnung an alle zu sein, darauf zu achten, wen und zu welchen Bedingungen man mit dem Management offener Forderungen beauftragt. Im konkreten Fall musste es jedenfalls für den Schuldner so aussehen, als habe er es bei seinem Gläubiger mit einem hartherzigen Kredithai zu tun, der nicht mehr loslässt.

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