Handeln des GmbH-Geschäftsführers auf eigene Gefahr

von Ulrich Wackerbarth

Blöse, GmbHR 2010, 867 merkt zur Entscheidung des OLG Schleswig v.  11.02.2010 an, dass sie arg streng und z.T. sogar fragwürdig sei. Dem ist entschieden zu widersprechen.

1. Zur Debatte stand die Haftung nach § 64 GmbHG. Die Gesellschaftergeschäftsführerin hatte im konkreten Fall trotz Ausweis von nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbeträgen (= handelsbilanzielle Überschuldung) in drei aufeinanderfolgenden Jahresabschlüssen keinen Insolvenzantrag gestellt. Die von der Geschäftsführerin zur Abwendung der Insolvenzantragspflicht aufgestellte Fortführungsprognose half ihr jedoch letztlich nicht.

2. Zunächst kritisierte das OLG die Fortführungsprognose als spekulativ. Der Geschäftsführer müsse einen konkreten Ertrags- und Finanzplan aufstellen (fehlte) und die tatsächlichen Grundlagen der Prognose beweisen (konnte die Geschäftsführerin nicht). Blöse merkt nun dazu an, diese strengen Anforderungen des OLG seien möglicherweise überzogen. Gerade wenn es etwa um kleinere GmbH (Handwerker) ginge, könnten die Kosten der Erstellung eines Unternehmenskonzepts für sich bereits die Zahlungsunfähigkeit heraufbeschwören.

Da möchte ich aber nun einmal gerne wissen, wie denn eine Fortführungsprognose bei kleineren GmbH nach Blöse aussähe. Für mich klingt es so, als solle bei Kleinbetrieben notfalls die Äußerung des Geschäftsführers „et hätt noch immer jot jejange“ ausreichen, wie man in Köln so sagt. Blöse berücksichtigt nicht, dass die Fortführungsprognose erst an zweiter Stelle kommt: Wenn ein Geschäftsführer meint, er könne trotz Ausweises einer Überschuldung in der Handelsbilanz einfach weitermachen, dann sollte er dafür gute Gründe haben. Hat er sie nicht, so handelt er auf eigene Gefahr.

3. Die Geschäftsführerin wollte ihr fehlendes Verschulden u.a. auch damit rechtfertigen, dass ihr Steuerberater Ansprüche gegen stille Gesellschafter der GmbH in der Bilanz aktiviert hatte, die in Wahrheit überhaupt nicht bestanden (weil die besagten Stillen nicht nachschußpflichtig waren). Dafür könne sie nichts, sie pflege sich auch lediglich für das Ergebnis der Bilanz zu interessieren. Das ließ das OLG nicht gelten und meinte, die Geschäftsführerin hätte den Steuerberater mindestens sorgfältig auswählen und überwachen müssen. Außerdem müsse ein Geschäftsführer eine Plausibiltätsprüfung der nicht selbst erstellen Bilanz vornehmen und mindestens eine „nicht sehr umfängliche“ Jahresbilanz lesen können. Das hält Blöse vor dem Hintergrund von BGH v. 14.5.2007 II ZR 48/06 für zu streng.

M.E. nach ist das nicht einmal streng genug, da die Auffassung des OLG darauf hinausläuft, dass jedenfalls bei komplexen Jahresabschlüssen sich Geschäftsführer (und dementsprechend auch Vorstände) eben doch hinter den Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern verstecken könnten, ohne dass diese andererseits wie der jeweilige Geschäftsleiter den Gläubigern bzw. der Gesellschaft haften. Das würde letztlich bedeuten, die Kleinen zu hängen, vor den Großen aber zu kapitulieren. Wenn der Jahresabschluss zu kompliziert wird (und dem Geschäftsleiter seine Verantwortung also zu groß wird), dann mag er Verantwortung nach unten abgeben, indem er das Geschäft auf mehrere Tochtergesellschaften aufteilt. Und wer eine Bilanz nicht lesen kann, soll von mir aus einen kundigen Geschäftsführer anstellen, aber es nicht selbst werden.

Außerdem: In unserer Wirtschaft läuft zu Vieles nach dem Motto „Geteilte Verantwortung ist überhaupt keine Verantwortung“. Wenn sich der Geschäftsleiter hinsichtlich der Überwachung der wirtschaftlichen und finanziellen Lage seiner Gesellschaft durch Verweis auf Dritte entziehen können soll, dann allenfalls dann, wenn statt seiner dann dieser Dritte so haftet, wie es sonst der Geschäftsleiter tut. Haftet der Dritte nicht, kann der Geschäftsleiter auf seinen Rat billigerweise nicht verweisen dürfen. Auch insoweit handelt er also auf eigene Gefahr.

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