BAG : BGH – GMS-OGB + BVerfG = EuGH?
von Ulrich Wackerbarth
BAG v. 19.05.2010 – 5 AZR 253/09 – Leitsatz 3 bzw. Tz 27:
Ist die Möglichkeit der Einflussnahme auf eine konkrete Klausel i.S.v. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB streitig, muss der Verwender nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast den Vortrag des Verwendungsgegners, er habe keine Einflussmöglichkeit gehabt, qualifiziert bestreiten. Hierfür muss er darlegen, wie er die konkrete Klausel zur Disposition gestellt hat, und die Umstände benennen, aus denen darauf geschlossen werden kann, der Verwendungsgegner habe die Klausel freiwillig akzeptiert.
Anm.: Danach reicht ein schlichtes Sich-Berufen des Verbrauchers auf die Vorformulierung der fraglichen Klausel – und schon ist der Unternehmer „dran“. Das gilt vor allem, weil das BAG unmittelbar anschließend ausführt, der Unternehmer habe konkret darzulegen, aus welchen Gründen sich für den Verbraucher erkennbar seine Bereitschaft ergab, gerade die fragliche Regelung zur Disposition zu stellen.
BGH v. 15.4.2008 – X ZR 126/06 – Tz. 18 f.:
Bei Vertragsklauseln, die zur einmaligen Verwendung bestimmt sind, steht es allein im Einklang mit dem klaren Wortlaut der Vorschrift, Darlegungs- und Beweislast nicht dem Unternehmer, sondern dem Verbraucher dafür aufzuerlegen, dass […] er infolge der Vorformulierung keinen Einfluss auf ihren Inhalt nehmen konnte. […] hat der Gesetzgeber bei der Erstreckung der Inhaltskontrolle auf Individualverträge, die vorformulierte Vertragsklauseln enthalten (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), den Umstand, dass der Verbraucher infolge der Vorformulierung auf den Inhalt der Vertragsklauseln keinen Einfluss nehmen konnte, als Tatbestandsvoraussetzung der Eröffnung der Inhaltskontrolle ausgebildet. Für solche Umstände trägt nach den allgemeinen Grundsätzen derjenige die Darlegungs- und Beweislast, der sich zu seinen Gunsten auf ihr Vorliegen beruft. Besondere Gründe, die es gebieten würden, Darlegungs- und Beweislast hier abweichend von den allgemeinen Beweisregeln zu verteilen, sind nicht ersichtlich.
Anm.: Danach reicht ein schlichtes Sich-Berufen des Verbrauchers auf die Vorformulierung der fraglichen Klausel für gar nichts. Außerdem sind Darlegung und Beweis mangelnder Einflussmöglichkeit sowie Kausalität der Vorformulierung dafür eine probatio diabolica, siehe dazu bereits Wackerbarth, AcP 200 (2000), 45, 65 f.
§ 2 Abs. 1 RsprEinhG lautet
(1) Der Gemeinsame Senat entscheidet, wenn ein oberster Gerichtshof in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofs oder des Gemeinsamen Senats abweichen will.
Anm: Die letzte Entscheidung des GMS-OGB stammt aus dem Jahr 2000 (horror pleni), siehe hier
BVerfG v. 25.2.2010 – 1 BvR 230/09 – NJW 2010, 1268 Orientierungssatz 2a (zit. nach juris):
Ob das Unterlassen eines Vorabentscheidungsersuchens vertretbar ist, muss in Zusammenhang mit der Rspr des EuGH zu Art 234 Abs 3 EG gesehen werden. Daher darf ein nationales Gericht nur dann davon ausgehen, dass die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts offenkundig ist, wenn es überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und für den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die gleiche Gewissheit bestünde (vgl EuGH, 06.10.1982, 283/81, Slg 1982, 3415 <Rn 16>).
Die Klauselrichtlinie 93/13/EG (insbesondere Art. 3 Abs. 1) ruft nach einer Entscheidung des EuGH. Dass es zu der von mir befürworteten Lösung der Gleichung kommt, ist jedoch äußerst unwahrscheinlich (P = 0).