Sommertheater in der Corporate Governance!

Von Ulrich Wackerbarth

Es gibt keinen Unsinn, der lächerlich genug ist, dass nicht mindestens ein Politiker auf die Idee kommen würde, ihn in vollem Ernst auch in die Tat umsetzen zu wollen.

Der neueste Schrei sind unterschiedliche Dividenden je nach der Haltedauer von Aktien. Vorgeschlagen von einigen Politikern der Koalition in einer Entschließung (siehe hier S. 6 Nr. 11 und diese Pressemitteilung) zum Grünbuch der EU über einen europäischen Corporate Governance Rahmen.  Der Vorschlag Nr. 11 beweist, dass unsere Politiker gleich welcher Couleur ganz offensichtlich weder  Ahnung von Corporate Governance noch davon haben, wie die Kapitalmärkte funktionieren. Das Motto des Vorschlags lautet: Wer besonders treu zum Unternehmen steht und langfristig seine Aktien hält, soll mehr vom Gewinn der Gesellschaft erhalten. Damit soll die kurzfristige und vom Gesetzgeber für kurzsichtig gehaltene Gewinnorientierung der Anleger bekämpft werden.

Was aber sollte es rechtfertigen, bei einem Gesellschafterwechsel dem neuen Gesellschafter, der 1 Jahr 50% der Anteile gehalten hat und also Anspruch auf 50% des in diesem Jahr erwirtschafteten Gewinns hat, nur 30% zu zahlen (und den anderen Aktionären entsprechend mehr)? Wer langfristig seine Aktien hält, bekommt doch schon automatisch mehr vom Gewinn, weil er — im Gegensatz zum kurzfristigen Aktionär — jedes Jahr eine Dividende erhält. Der Gewinn ist nun einmal unter der Beteiligung auch diese kurzfristigen Aktionärs erwirtschaftet worden.

Die Politiker, die diesen Geistesblitz hatten, haben ganz offensichtlich auch die Folgen ihres Vorschlags nicht bedacht. Die unterschiedliche Behandlung hätte sofort Einfluss auf den Börsenkurs der Aktie. Da unmittelbar nach dem Erwerb die Dividendenansprüche ja am geringsten sein werden, würden die Aktien unverkäuflich, die Kurse würden auf weiter Front fallen. Das wäre dann ein gelungener Schlag gegen den deutschen Kapitalmarkt und die Börsen. Der Vorschlag würde nicht dazu führen, dass die Aktionäre ihre Aktien länger halten, sondern dass noch weniger Menschen in Aktien investieren.  Die Unternehmen könnten als Reaktion auf diese offensichtlich ungerechte und sachwidrige Bevorzugung einzelner Aktionäre auch auf die Idee kommen, einfach überhaupt keine Gewinne mehr ausschütten, um ihren eigen Börsenkurs nicht zu gefährden. Das mag bei jungen aufstrebenden Unternehmen sinnvoll sein, nicht aber bei reifen Unternehmen, die die Früchte ihres Aufstiegs einfahren.

Vor allem aber kann dieser Eingriff mit rechtsstaatlichen Mitteln nicht umgehungsfest ausgestaltet werden. Was will die Bundesregierung dagegen tun, dass Aktien in der Hand von Zwischengesellschaften geparkt werden, die dann wiederum Anteile herausgeben, die kurzfristig gehalten werden können? Oder was ist mit Investmentfonds, die die Aktien langfristig halten. Sollen sie dann bei einer Ausschüttung unterschiedlich behandelt werden, je nachdem, wer für wie lange in den Investmentfonds investiert hat?

Nun gut, jedes Jahr werden die Menschen in die Sommerferien mit irgendeinem unsinnigen Vorschlag entlassen, über den sie dann nachdenken können, bis er sich im Herbst wieder verflüchtigt hat. Dieses Jahr trifft es offenbar die Corporate Governance. Die Koalition hat sich im Übrigen nicht mit den wirklich wichtigen Vorschlägen und Denkanstößen des EU-Grünbuchs auseinandergesetzt (siehe Fragen 21 und 22 des Grünbuchs). Entgegen der Stellungnahme auch der Regierungskomission DCGK (hier S. 9) schlummert hier nämlich deutliches Verbesserungspotential. Aber vielleicht ist das auch besser so. Man kann schließlich immer nur eine Sache tun. Und die Koalition hat sich offenbar für Sommertheater und gegen eine vernünftige Weiterentwicklung der deutschen Blockholder Governance entschieden.

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