Die Hunde bellen, aber die Karawane zieht weiter
von Ulrich Wackerbarth
Strohn gibt in DB 2012, Hefte 20 und 21 einen Überblick über neuere Grundsatzentscheidungen des für das Gesellschaftsrecht zuständigen II. Zivilsenats des BGH. Insbesondere auf den zweiten Teil dieses Beitrags (Kapitalgesellschaftsrecht) hatte ich mich schon gefreut. Bestand doch die Aussicht, die wesentlichen Entscheidungen unter dem neuen Vorsitz noch einmal Revue passieren zu lassen und zu sehen, wie die Perspektive der Richter, wenigstens eines Richters zur seither erfolgten Diskussion ist.
Um es kurz zu machen: der Beitrag enttäuscht. Kein Wort zur Kritik an der Entscheidung in der Darlehenssache (siehe hier), kein Wort zur Kritik an der Entscheidung zur Prospekthaftung und Kapitalerhaltung (Telekom III), die wahrlich nicht nur eine Welle in der Politik geschlagen hat, wie Strohn meint, sondern auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur nicht ganz unbemerkt geblieben ist (siehe z.B. hier). Völlig vermisst habe ich die (unhaltbaren) Entscheidungen zu Ausgleichsansprüchen und Squeeze-Out (siehe hier).
Besonders nahezugehen scheint Strohn dagegen die Frage, unter welchen Umständen Organmitglieder sich durch Einholung von Rechtsrat aus ihrer Haftung stehlen können. Dazu hat er nämlich schon in der letzten ZHR (Heft 2/2012) ein Editorial geschrieben — und dieses ist wie auch der hier vorgestellte Beitrag von Unsicherheit darüber geprägt, wohin sich die Rechtsprechung des BGH entwickeln sollte. Allzu einfach will man die Enthaftung des Geschäftsführers (oder Vorstands) durch eine Beratung wohl nicht machen, aber der II. Senat hält es im Ergebnis durchaus für möglich, dass der Geschäftsführer durch eine Falschberatung entschuldigt wird. In mittlerweile mehr als 10 Verfahren (nachgewiesen u.a. in II ZR 234/09 unter Tz. 16 f.) schreibt er nach und nach geradezu eine Anleitung für die „Organenthaftung durch Beratung“ (siehe auch hier). Ich wette, in größeren Anwaltskanzleien wird schon länger daran getüftelt, wie man die Organhaftung durch Beratung los werden kann, ohne dass der — gut bezahlte — Berater anstelle des Organmitglieds die Verantwortung zu übernehmen hat. Eine weitere Entscheidung dazu hat der BGH gerade veröffentlicht (II ZR 171/10), sie wird von mir in einer der nächsten EWiR besprochen.
Man fragt sich, wofür man solche Übersichten über höchstrichterliche Rechtsprechung benötigt, wenn auf die (fehlende) Akzeptanz in der Literatur z.T. nicht einmal hingewiesen wird, geschweige denn eine Erläuterung der Rechtsprechung vor den sachlichen Einwänden erfolgt, ganz zu schweigen von neuen Argumenten oder gar der Ankündigung neuer Einsichten.
Bemerkungen wie: „Abweichenden Stimmen ist der Senat nicht gefolgt“ drücken m.E. allenfalls den Machtwillen des Senats aus. Eine echte Kommunikation mit der Wissenschaft lehnt der immerhin stellvertretende Vorsitzende des Senats — auch als Autor — offenbar ab. Damit lässt er auch Zweifel daran aufkommen, dass der II. Senat an einer sachlichen Auseinandersetzung und einer ständigen Überprüfung seiner Rechtsprechung überhaupt interessiert ist.
In den Beiträgen von Rechtswissenschaftlern (nicht notwendig auch in Beiträgen aus der Anwaltschaft, die oftmals zu stark von den jeweils vertretenen Interessen geprägt sind) finden sich in aller Regel erwägenswerte Argumente. Wenn man als höchster Richter meint, diese seien nicht überzeugend, wird man dafür Gründe haben. Dann soll man sie auch äußern. Oder man hat eben keine Argumente. Dann kann man andeuten, über das eine oder andere Problem noch einmal nachdenken zu wollen. Die bloße zusammenfassende Entscheidungswiederholung folgt hingegen treu der Überschrift dieses Beitrags. Ihr Informationsgehalt ist gleich Null.
Am 28. Februar 2013 um 18:07 Uhr
[…] – es gibt kein der Aktionärsklage (derivative suit) vergleichbares Instrument, mit dem Managerfehlverhalten entgegengewirkt werden könnte, dafür aber die sinnfreie Managerentlastung durch Expertenrat […]