Welches Leid droht hier?

von Ulrich Wackerbarth

Mit seinem Editorial in der aktuellen EuZW 2014, 641 „Europarechtlicher Schutz vor nachteiligen Transaktionen mit nahe stehenden Unternehmen und Personen?“ wettert U. H. Schneider gegen Pläne der Kommission zur Änderung der Aktionärsrichtlinie. Diese könnten Folgen für die deutsche Corporate Governance und vor allem für das Konzernrecht haben. Schneider meint, durch die Vorschläge drohe „rechtspolitisches Leid“.

Börsennotierte Unternehmen müssen nach Art. 9c des Vorschlags künftig Geschäfte mit nahestehenden Unternehmen und Personen (z.B. mit dem Großaktionär) schon zum Zeitpunkt ihres Abschlusses öffentlich bekannt machen, wenn sie mehr als 1?% ihres Vermögens betreffen (sog. related party transactions). Ferner ist eine Kontrolle durch einen unabhängigen Dritten erforderlich („fairness opinion“). Erfasst werden praktisch alle konzerninternen Geschäfte (über 1%).

Das bedeute, so Schneider, nachteilige Transaktionen seien künftig unzulässig, ihre gleichwohl erfolgende Verwirklichung eine Pflichtverletzung durch den Vorstand des abhängigen Unternehmens und (so Schneider wörtlich) „das Schlimmste“: sie seien gar eine Untreue. Die Privilegierung nach deutschem Konzernrecht entfalle.

„Ja und?“, möchte man rufen – endlich tut mal einer was gegen Raub und Betrug in Konzernen, etwas gegen steuervermeidende Gewinnverschiebung nach Belieben innerhalb von Konzernen und unfaire Benachteiligung von Minderheitsgesellschaftern, vor allem von Kleinaktionären. Denn der deutsche Gesetzgeber und der II. Senat des BGH sind dazu traditionell nicht in der Lage.

Nach Schneider aber kommt es noch „schlimmer“ (ohne das man zuvor erfahren hätte, was denn nun an mehr Transparenz schlimm wäre): Sollten die nämlichen Geschäfte gar 5% des Vermögens betreffen, dann müsse sogar die Hauptversammlung der Gesellschaft zustimmen, und zwar ohne dass der herrschende Aktionär dabei mitstimmen dürfe.

Eine solche Regel würde im deutschen Recht ? endlich ? für den Einzug von ein wenig Fairness sorgen, denn sie hält etwas fest, das selbstverständlich sein sollte, es in unserem verkorksten Corporate Governance-System aber leider nicht ist. Das ist ganz einfach einzusehen: Man stelle sich eine Gesellschaft aus zwei Leuten vor, an der einer mit 60% und entsprechenden Stimmrechten beteiligt ist, der andere nur mit 40%. Beide haben vorher ausgemacht, dass man auch die Gewinne 60/40 teilt. Wenn nun der 60%-Gesellschafter versucht, sich mehr als die ihm zustehenden 60% aus der Gewinnkasse zu nehmen, muss der 40%-Gesellschafter „Nein“ dazu sagen können (Wem dieses Regel nicht einleuchtet, der kommentiere bitte den Beitrag, ich stehe für Auseinandersetzungen zur Verfügung). Nicht anders verhält es sich, wenn der Mehrheitsaktionär ein Austauschgeschäft mit der Gesellschaft abschließen will. Die Minderheitsgesellschafter müssen „Nein“ sagen können, weil sonst die Gefahr besteht, dass sie übervorteilt werden. Das ist eine Selbstverständlichkeit, weil das Gesellschaftsrecht eben gerade Zusammenarbeit zwischen den Gesellschaftern anordnet und nicht die Selbstbedienung des Mehrheitsgesellschafters: Auch er hat nicht das Recht auf mehr als seinen Anteil.

U.H. Schneider aber leuchtet das offenbar nicht ein. Er meint (und damit endet sein Beitrag):

„Zu rechtspolitischem Leid führt der zweite Vorschlag. Die Verschiebung der Zuständigkeiten des Vorstands für Maßnahmen der Geschäftsführung hin zur Hauptversammlung und die vorgesehene alleinige Zuständigkeit der Minderheitsaktionäre bei Transaktionen mit nahe stehenden Unternehmen und Personen ist wahrlich keine gute Idee – mögen auch die genannten Schwellenwerte das Schlimmste verhüten. Der Vorschlag widerspricht allen Erfahrungen von guter Corporate Governance.“

Welches rechtspolitische Leid Schneider jetzt genau meint, wird wohl auf ewig sein Geheimnis bleiben. Man kann aber auf die Idee kommen, dass „gute“ Corporate Governance nach Schneiders Vorstellungen darin besteht, dass die Konzernmutter zusammen mit dem Tochtervorstand die Minderheit betrügen darf, wie sie will. Der Tochtervorstand begeht dadurch keine Untreue, weil das deutsche Konzernrecht ja die Verschiebung von Vermögen privilegiert. Und da all das auch geheim bleiben kann, weil es ja nach geltendem Recht nicht offenzulegen ist, wird wohl auch niemand herausfinden, dass der „hohlklingendste aller Allgemeinplätze“ nicht (wie Schneider meint) in dem Kommissionsvorschlag zu finden ist, sondern in § 311 AktG, wonach nachteilige Maßnahmen bis zum Ende des Geschäftsjahres auszugleichen sind.

Eine Reaktion zu “Welches Leid droht hier?”

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