Wenn das Wolfsrudel zweimal klingelt …
von Ulrich Wackerbarth
Aktionärsaktivismus (shareholder activism) ist in Deutschland ein gerade aufkommendes, äußerst gefährliches Phänomen. Ein Aufsatz von Bunz in der NZG 2014, 1049 ff. informiert nun erstmals höchst eindringlich über die konkreten Gefahren und darüber, wie die Unternehmen sich erfolgreich wehren können, wenn diese räuberischen Minderheitsaktionäre von ihren Rechten Gebrauch machen.
Es ist aber auch ungeheuerlich, was diese Aktivisten so alles treiben: Sie versuchen z.B., auf das Investitionsverhalten der Gesellschaft Einfluss zu nehmen, die Ausschüttung von Dividenden zu erreichen oder gar Aufsichtsratsmitglieder auszuwechseln (aaO., 1050). Das alles sind natürlich schon für sich betrachtet höchst unfaire Ziele. Sie werden nicht besser, wenn man sich die geradezu mafiösen Methoden anschaut, mit denen sie erreicht werden sollen: Die Aktionäre könnten etwa eine Hauptversammlung einberufen (unerhört!) oder die Tagesordnung ergänzen lassen oder gar – welche Frechheit – andere Aktionäre über das Aktionärsforum ansprechen. Von grenzwertigen Maßnahmen wie der Stellung eines Antrags auf Sonderprüfung oder der Bestellung eines besonderen Vertreters wollen wir hier lieber gar nicht erst reden. All dies kann vom Aktiengesetz einfach nicht erlaubt sein.
Richtig schlimm, geradezu schmutzig wird es aber, wenn zu informellen Einflussnahmen gegriffen wird. Ein Gespräch mit Organmitgliedern zu führen, ist natürlich vollkommen unerträglich, vor allem wenn das in Form eines sog. „one-on-one„-Gesprächs geschieht. Wohin soll das führen, wenn die Frauenquote erste Früchte getragen hat? Außerdem könnte dabei mit einer öffentlichen Kampagne gedroht werden. Denn aktivistische Aktionäre haben meist gute Kontakte zu den Medien und instrumentalisieren sie für ihre Zwecke (anders als die Unternehmen, selbstverständlich). All diese Obszönitäten, die nicht scharf genug gegeißelt werden können, haben lt. Bunz nicht einmal justiziable Grenzen: Treuepflicht und das Verbot des Rechtsmissbrauchs helfen nicht, der Vorstand hingegen steckt in einer Zwangsjacke aus Verschwiegenheitspflicht und Insiderverboten (aaO., 1051). In dieser scheinbar ausweglosen Situation stellt sich die Frage: Was tun?
Bunz hat die Lösung. Ganz nach dem Motto: know your enemy (die Aktionäre sind bekanntlich der natürliche Feind jedes Unternehmens) erläutert uns Bunz, welche (militärischen) Maßnahmen die Unternehmensleitung ergreifen soll. Auf jeden Fall braucht man dazu ein „rapid reaction team„, ein Begriff, der sich z.B. mit special task force ganz gut aus dem Englischen übersetzen lässt. Dieses soll natürlich den Ernstfall proben, und zwar anhand von „mock attacks„, die mit Hilfe des „defense manuals“ wirksam und effektiv bekämpft werden.
Kommt es dennoch zum worst case scenario (der aktivistische Aktionär ruft wie befürchtet tatsächlich an – diesen Horror muss man sich erst einmal bildhaft vor Augen führen, um das ganze Ausmaß zu erahnen!), so soll das betroffene Organmitglied überhastete Reaktionen möglichst vermeiden, Ruhe bewahren und das rapid reaction team informieren (aaO. 1052). Dieses wird dann eine Strategie entwickeln und dabei den „track record“ des aktivistischen Aktionärs genau im Auge behalten.
Das wichtigste aber: Niemals vergessen, was man allgemein von Aktionären zu halten hat. Aktionäre rotten sich nämlich entweder zu gefährlichen „wolf packs“ zusammen (!), das gilt vor allem für Hedgefonds. Oder es sind nur „die übrigen, oft ahnungslosen Aktionäre“, die in der Gefahr stehen, auf die Seite dieses Wolfsrudels gezogen zu werden. Dagegen hilft nur die dritte Kategorie: der freundlich gesinnte Ankeraktionär. Mit dem darf man auch ohne rapid reaction team sprechen und ihn bitten, auf der Hauptversammlung einen Gegenpol zu bilden (aaO., 1052). Vermutlich hat Bunz nicht einmal etwas dagegen, wenn das in Form des sonst so gefährlichen one-on-one-Gesprächs geschieht.
Am 2. Oktober 2014 um 15:20 Uhr
Sehr geehrter Herr Wackerbarth,
vielen Dank für diesen herrlich ironischen Beitrag. In Zeiten von Pfleiderer, Solarworld und MIFA ist ein Punkt erreicht, an dem man sich ernsthaft die Frage stellen muss, wie die Aktionäre als die Eigentümer von börsennotierten Gesellschaften wieder effektiv ihre Rechte wahrnehmen können – prozess- und materiell-rechtlich.