Related Party Transactions

von Ulrich Wackerbarth

Buch3Der momentane Aufreger im deutschen Gesellschaftsrecht sind die Vorschläge der EU Kommission, die sogenannten Related Party Transactions neu zu regeln – mit Folgen für das deutsche Konzernrecht. Dabei geht  es um die konzerninternen Austauschgeschäfte und damit um das zentrale Mittel, mit dem nach deutschem Aktien(un)recht Gewinne zwischen Konzernunternehmen verlagert und Kleinaktionäre um ihren Gewinnanteil betrogen werden können. Diese Transaktionen würden durch die neuen Regeln stark behindert. Dass die Unternehmenjuristen (sprich Interessenvertreter) und Verbände wie DAI oder BDI, BDA, DIHK damit nicht glücklich sind, ist klar (z.B. Seibt, DB 2014, 1910, 1914 f.; DAI; BDI u.a.) Aber auch aus der Wissenschaft gibt es Kritik, die an den zentralen Gesichtspunkten leider vollkommen vorbeigeht. Nach Schneider hat nun Wiersch in der aktuellen NZG 2014, 1131 ff. die Neuregelung kritisiert. Nicht einverstanden ist er mit der vorgesehenen Zustimmung durch die Hauptversammlung, vor allem aber damit, dass künftig der kontrollierende Aktionär (=das herrschende Unternehmen im Konzern) von der Abstimmung ausgeschlossen sein soll, wenn konzerninterne Geschäfte von erheblichem Umfang (> 5%) stattfinden.

1. Zustimmung der Hauptversammlung?

Zunächst ist Wiersch in einer Frage ausdrücklich beizupflichten: Die Hauptversammlung ist und bleibt der verkehrte Ort, um über Related Party Transactions zu entscheiden. Gerade in börsennotierten Aktiengesellschaften kommt dies nicht in Frage. Zu den Argumenten von Wiersch (Notwendigkeit teurer außerordentlicher Hauptversammlungen, Transaktionsunsicherheit und Anfechtungsrisiken) kommen noch weitere hinzu. Es müssten nämlich auf solcher Versammlung z.T. auch Betriebsgeheimnisse erörtert werden, z.B. die näheren Umstände des jeweiligen Geschäfts, da sonst eine sinnvolle ex-ante Kontrolle der jeweiligen Transaktion nicht denkbar ist. Und vor allem kommt das mangelnde Interesse der Aktionäre an Details der Unternehmensführung hier voll zum Tragen: Gerade diejenigen, die dieser Vorschlag schützen soll, werden aus „rationaler Apathie“ zu den Abstimmungen erst gar nicht erscheinen . Im Ergebnis wird alles noch schlimmer: Der Kontrollaktionär macht am Ende doch was er will und kann perverserweise darauf verweisen, dass die Minderheit ja beteiligt wurden.

Die Beteiligung der Hauptversammlung ist also grober Unfug, es sei denn, es geht wirklich einmal um eine ganz grundlegende Frage, und dafür haben wir schon den § 179a AktG. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen ist die Zustimmung der Hauptversammlung freilich „besser als nichts“: Solange es keine Minderheitsvertreter im Aufsichtsrat gibt, hätte ohne Zustimmung der Hauptversammlung die Minderheit überhaupt keinen Zugriff auf die relevanten Transaktionen.

2. Stimmverbot oder societas leonina?

In einer zweiten Frage ist die Argumentation von Wiersch scharf zurückzuweisen, nämlich was das Stimmverbot des Kontrollaktionärs bei den Related Party Transactions angeht. Hier seine Argumente in NZG 2014, 1136 f. und meine Entgegnung:

„Ungeachtet der Tatsache, dass die Hauptversammlungskompetenz mithin abzulehnen ist, ist darüber hinaus das drastische Instrument des Stimmverbots für an Transaktionen beteiligte Aktionäre fragwürdig. Es würde das AktG partiell auf den Stand vor der Reform von 1937 zurückversetzen. Der Gesetzgeber hat damals das zuvor für Rechtsgeschäfte mit einem Aktionär zu dessen Lasten verankerte Stimmverbot auch deshalb aufgehoben, weil es ihm unangemessen erschien, dass mitunter der Einfluss des bei Weitem größten Aktionärs ausgeschaltet wurde und die Entscheidung bei einer kleinen Minderheit lag.“

Die damalige Streichung des Verbots der Stimmabgabe bei Rechtsgeschäften sollte dem herrschenden Unternehmen vor allem den Zusammenschluss mit beherrschten Gesellschaften zu einem Vertragskonzern ermöglichen (näher Wackerbarth, Grenzen der Leitungsmacht, 2001, S. 276). Bei derartigen Zusammenschlüssen, die einen Sozialakt darstellen, muss der Mehrheitsaktionär mitstimmen können. Das ist letztlich auch durch die § 291ff. AktG bestätigt worden und daran will und sollte niemand rütteln.

Aber ein Stimmverbot für konzerninterne Rechtsgeschäfte hat mit einem solchen Sozialakt nichts zu tun. Hier geht es vielmehr um die Grundfrage des deutschen Gesellschaftsrechts: Wollen wir eine societas leonina als Grundmodell, bei der vornherein klar ist, dass der Kontrollaktionär sich alles holt? Eine Gesellschaft, in der Gewinne eben nicht nach Kapitalanteilen, sondern nach der Willkür des Mehrheitsaktionärs „geteilt“ werden? Oder wollen wir einen „fair deal“ bei der der Mehrheitsgesellschafter zwar bestimmt, wo es lang geht, die Minderheit aber „Nein“ sagen kann, sobald der Mehrheitsgesellschafter versucht, sich über Austauschgeschäfte mit der Gesellschaft mehr als den ihm zustehenden Anteil zuzuschanzen? M.E. ist die Frage rhetorisch, aber eine Auseinandersetzung mit diesen Argumenten findet sich nirgends. Weil diese gesellschaftsrechtliche Grundregel in Deutschland praktisch nicht gilt, kauft eben niemand Aktien, wie man in jedem Börsenblatt nachlesen kann und wie dann scheinheilig vom DAI beklagt wird.

 „Diese Stimmgewichtsverschiebung dürfte angesichts der relativ hohen Konzentration des Aktienbesitzes in Deutschland öfter eintreten als in Mitgliedstaaten wie England mit einem hohen Streubesitzanteil.“

Unter anderen an den eine Vetternwirtschaft und Gewinnverschiebungen im Konzern erleichternden Regeln des Konzernrechts liegt es eben, dass sich in Deutschland (nur) Aktienbesitz mit hoher Konzentration lohnt. Hätten wir vernünftige Regeln, würde gerade die Entstehung eines liquideren Kapitalmarkts mit einem höheren Streubesitzanteil begünstigt (ausführlich hier auf den S. 10 f. , 13 f., 34 ff. nachzulesen).

 „Den übrigen Aktionären das scharfe Schwert des Stimmverbots zu reichen, birgt ein beträchtliches Missbrauchsrisiko.“

Worin besteht denn das angebliche Missbrauchsrisiko? Das „Erpressungspotential“ der Minderheit bei einem Vetorecht ist schon von vielen bemüht worden, ohne dabei jedoch den konkreten Verhandlungsprozess zu berücksichtigen. Das herrschende Unternehmen kann stets ausweichen, indem es das fragliche Geschäft nicht selbst abschließt, sondern fremdvergibt. Verlangt die Minderheit also zu viel, so dass sich das Geschäft für das herrschende Unternehmen nicht mehr lohnt, bekommt sie (die Minderheit) überhaupt nichts. Die Verhandlungssituation führt daher im ökonomischen Ergebnis nur zu einer fairen Teilung der Vorteile aus der Transaktion (ausführlich Wackerbarth, Grenzen der Leitungsmacht, 2001, S. 322 ff., 509).

 „Das Stimmverbot nähert die börsennotierte AG ohne zwingenden Grund der GmbH an, in der Gesellschafter von der Beschlussfassung über Rechtsgeschäfte zwischen ihnen und der Gesellschaft ausgeschlossen sind (§ 47 GmbHG Abs. 4 S. 2 Fall 1 GmbHG). In der GmbH mag das Stimmverbot auch rechtspolitisch überzeugend sein. Da §§ 311?ff. AktG auf eine faktisch abhängige GmbH nach hM keine Anwendung finden, kann das Stimmverbot Minderheitsgesellschaftern im Hinblick auf Rechtsgeschäfte zwischen der Gesellschaft und einem herrschenden Unternehmen die Möglichkeit eröffnen, die Geschäftsführer zu binden und hierdurch den Einfluss des herrschenden Unternehmens zu begrenzen.“

Was Wiersch hier verkennt ist, dass eine abhängige Aktiengesellschaft, mag sie auch an der Börse notiert sein, eben einer GmbH sehr viel näher ist, als die meisten erkennen wollen (näher Wackerbarth, aaO. S. 277). Der Unterschied liegt nicht im Verhältnis zwischen herrschendem Aktionär und Geschäftsleitung: Der Vorstand einer abhängigen AG hat seine Position als „Leiter der Gesellschaft unter eigener Verantwortung“ nur noch formal inne, materiell ist er nicht mehr als ein GmbH-Geschäftsführer, der geschasst wird, wenn er nicht spurt. Der Unterschied liegt allein darin, dass der herrschende Aktionär in der GmbH im Zweifel seine Minderheitsmitgesellschafter kennt, in der börsennotierten AG hingegen nicht. Und deshalb ist zwar eine Abstimmung in der Hauptversammlung Quatsch, nicht aber das Stimmverbot des herrschenden Gesellschafters.

3. Aufsichtsrat

„Sofern Veröffentlichung und Fairness-Opinion für bedeutende Transaktionen nicht als ausreichende Schutzinstrumentarien erachtet werden, ließe sich im weiteren Gesetzgebungsverfahren mit Blick auf dualistisch verfasste Gesellschaften wie der deutschen AG erwägen, anstatt der Hauptversammlungskompetenz einen zwingenden Zustimmungsvorbehalt zu Gunsten des (mitbestimmten) Aufsichtsrats zu implementieren. „

Ja, das ist richtig, nur dass insoweit eben ein (mittelbares) Veto-Recht der Minderheit gesichert werden muss: Wir benötigen zwingend einen Minderheitsvertreter im Aufsichtsrat, der zu konzerninternen Geschäften „Nein“ sagen kann. Ein ausgearbeiteter Vorschlag dazu kann bei Wackerbarth, aaO. S. 319 ff. nachgelesen werden.

2 Reaktionen zu “Related Party Transactions”

  1. Bernhard Heine

    Gut, ein Verhältniswahlrecht bei Aufsichtsratswahlen würde bei mitbestimmten Aufsichtsräten zu einer unbilligen Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse führen können – einverstanden.

    Aber ein großer Anteil aller börsennotierten Gesellschaften unterliegt gar nicht der Mitbestimmung. Warum ist ein Recht auf eine Verhältniswahl auf Antrag einer qualifizierten Minderheit von Aktionären auf Listenwahl nicht wenigstens für nicht-mitbestimmte Aktiengesellschaften möglich? Was spräche inhaltlich dagegen, welche Lobby verhindert das?

    Der Minderheitenvertreter würde ja nur bei (offensichtlich) abhängigen Gesellschaften zum Zuge kommen, faktische Abhängigkeit von einem Großaktionär unterhalb der Schwellenwerte wäre davon ja nicht erfasst?
    Und ist nicht auch sonst eine gewisse Heterogenität eines Kontrollorgans für eine wirkungsvolle Kontrolle notwendig und wünschenswert, die in mitbestimmen Aufsichtsräten automatisch garantiert ist aber in den nicht der Mitbestimmung unterliegenden Aufsichtsräten auf der Strecke bleibt, wenn eine noch so knappe Mehrheit nach dem the-winner-takes-it-all-Prinzip entscheiden kann (z.B. 3U-Holding 2013, z.B. Beteiligungen im Baltikum 2014 etc…) und gar keine wirksame Kontrolle mehr möglich ist?

  2. Ulrich Wackerbarth

    Gegen ein Verhältniswahlrecht bei AR-Wahlen in nicht mitbestimmten Gesellschaften spricht in erster Linie die Tatsache, dass dann bei einem dreiköpfigen AR und einem 90%igen Großaktionär der Großaktionär doch wieder alle Sitze besetzen könnte! Den von mir vorgeschlagenen Minderheitenvertreter gäbe es hingegen auch in dieser Gesellschaft.

    Nicht richtig ist, dass der Minderheitenvertreter nur in „offensichtlich“ abhängigen Gesellschaften zum Zuge käme. Gerade auch eine bloß faktische Abhängigkeit von einem Großaktionär unterhalb des Schwellenwertes von 50% wäre mit meinem Regelungsvorschlag erfasst.

    Und dass „eine gewisse Heterogenität eines Kontrollorgans“ für eine wirkungsvolle Kontrolle notwendig und wünschenswert ist, will ich nicht bestreiten. Der Minderheitenvertreter sichert dieses aber effizienter als ein Verhältniswahlrecht.