Warum Rückzahlungsansprüche kein Entgelt sind

 

von Ulrich Wackerbarth

IMG_3901[2]Ein wahres Argumentationsfeuerwerk startet Junglas in der aktuellen NJOZ 2015, 241 unter dem Titel: „Darlehensrückzahlungsforderungen als Entgeltforderungen iSd § 288 II BGB?“ Junglas ist der Auffassung, dass auch Ansprüche auf die Rückzahlung von Darlehensbeträgen Entgeltforderungen im Sinne der Zahlungsverzugsrichtlinien und damit des § 288 Abs. 2 BGB sind und sie daher im Verzugsfalle mit 9 % über dem Basiszinssatz zu verzinsen seien.

Im Wesentlichen will Junglas die Richtigkeit seiner Auffassung daraus herleiten, dass der Darlehensrückzahlungsforderung die Hingabe des Darlehens gegenübersteht und ersterer also das Äquivalent des letzteren ist und also entgeltlich sei. Bei seinen Darlegungen handelt es sich indessen um eine ganze Reihe von Scheinargumenten, die das von Junglas gerne Gewollte in keiner Weise tragen.

 

1. Leistung und Gegenleistung beim Darlehensvertrag

Die Argumentationsreihe leidet gleich zu Beginn an einer Verkennung der Leistung des Darlehensgebers: Junglas meint,

wenn die Dienstleistung in der Darlehensgewährung liegt, muss das Entgelt für diese in der Rückzahlung des Darlehens und Zahlung des Vertragszinses gesehen werden

Tja: wenn das Wörtchen wenn nicht wäre… Junglas beschreibt die vergütete Leistung des Darlehensgebers indessen verkehrt. Sie besteht eben nicht im Vorgang der Übereignung der Geldmittel selbst, sondern in der damit nur ermöglichten Überlassung der Valuta auf Zeit. Nur dieses „zur-Verfügung-Stellen“ wird auch nach dem Gesetzeswortlaut des § 488 BGB geschuldet. Die Übereignung der Mittel ist lediglich eine Hilfsleistung, die das geschuldete zur-Verfügung-Stellen über einen bestimmten Zeitraum erst ermöglicht.

 

2. Hin- und Rückzahlung sind kein Entgelt für einander

Soweit Junglas die Rückzahlung gleichwohl als Ausgleich der bloßen Mittel-Hingabe und deshalb als Entgelt ansieht, verkennt er: Das Rückgängig-Machen einer Leistung ist keine entgeltende zweite Leistung, sondern eben nur das Beseitigen der Leistung. Der Anspruch auf Rückgängigmachung einer Leistung ist gerichtet auf die Wiederherstellung des status quo ante und damit kein Entgelt für den Anspruch auf Leistung.

Aus dem gleichen Grunde abzulehnen ist die Behauptung von Junglas, über eine bloß konditionale Verknüpfung hinaus sei für die Annahme einer Entgeltlichkeit zweier Leistungen nichts erforderlich (aaO S. 243 unter c). Erforderlich ist nämlich gerade zusätzlich, dass die zweite Leistung über die bloße Rückgabe der ersten hinausgeht, also tatsächlich zwei Leistungen vorliegen, die nach dem Parteiwillen einander vergüten sollen.

Geradezu frech ist es, wenn sich Junglas zur Stützung seiner Auffassung mehrfach auf den Beitrag von Ernst in der FS Picker aus dem Jahr 2010 beruft. Dort hat sich Ernst nämlich sehr eindeutig zum fehlenden Entgeltcharakter einer Hin- und Rückleistung geäußert (FS Picker, S. 148 f., vgl. zum Darlehen auch S. 151), was Junglas einfach verschweigt.

Falsch ist es auch, wenn Junglas meint (aaO 244 unter i), die h.M. sehe in der Hingabe des Darlehens eine im Synallagma stehende Entgeltforderung, die bei Verzug mit 9% über Basis zu verzinsen sei. Die in Fn. 47 von Junglas Zitierten sind demgegenüber sämtlich der Meinung, dass nicht die Hingabe, sondern das „zur-Verfügung-Stellen“ des Geldes die synallagmatische Gegenleistung sei. Die von Junglas behauptete Widerspruch (Darlehensauszahlung sei nach hM. Entgeltforderung, die Rückzahlung aber nicht) besteht also nicht.

 

3. Zweck der Zahlungsverzugsrichtlinen?

Die Zwecke der zugrundeliegenden Zahlungsverzugsrichtlinien (2000/35/EG und 2011/7/EU) sprechen entgegen Junglas (aaO 243 f. unter h) nicht für, sondern gegen seine Auffassung. Denn Liquidität und Wettbewerb werden nicht gefördert, sondern behindert, wenn man den Verzug mit Geld-Rückforderungsansprüchen durch besonders hohe Zinsen bestraft: Zwar mag es allgemein die Liquidität von Unternehmen fördern, wenn man den Austausch von Leistungen (und damit die richtige Allokation von Gütern) fördert. Und dies kann man (wenn auch bloß marginal) tun, indem man die Rechtzeitigkeit der Bezahlung von Leistungen belohnt und Verspätungen verteuert. Leistungsaustausch wird aber nicht gefördert, wenn man Geld-Rückforderungsansprüche beschleunigt. Denn der dadurch gewonnenen Liquidität des Gläubigers steht stets die verlorene Liquidität des Schuldners gegenüber.

Junglas meint in diesem Zusammenhang ferner, auch ein Verkäufer mache nur mit einem Teil des Kaufpreises Gewinn, der Rest seien Kosten der Kaufsache. Die h.M. behandele den Darlehensgeber so, als wenn man dem Verkäufer beim Verzug mit einer Kaufpreisforderung den erhöhten Zinssatz nur auf den Gewinnteil der Kaufpreisforderung zugestehe. Dabei verkennt Junglas, dass die Leistung eines Verkäufers eben gerade darin besteht, den verkauften Gegenstand endgültig an den Käufer zu entäußern und dort zu belassen. Der Kaufpreis stellt eine einheitliche Gegenleistung für diese Leistung dar und ist eben nicht teilweise eine „Rückerstattung“ der Kosten des Verkäufers. Im Übrigen werden auch beim Darlehen mit dem Zins teilweise Kosten des Darlehensgebers entgolten, ohne dass man die Zinsen in einen Erstattungs- und einen Gewinnteil aufteilt.

 

4. Unhaltbare Konsequenzen

Folgte man Junglas, so müsste man annehmen, dass sämtliche gesetzlichen Rückgabepflichten entgeltlich sind. Sobald sie z.B. durch § 346 Abs. 2 BGB oder § 818 BGB in eine Geldforderung umgewandelt werden, sind sie nach dieser Logik „Entgeltforderungen“ im Sinne von § 288 BGB. Das alles hätte also Konsequenzen, die so weder vom Gesetzgeber gewollt noch von Junglas angesprochen werden und – so vermute ich einfach mal frech – von ihm auch nicht bedacht wurden.

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