Eins, zwei, drei. Immer schön im Ringelreih.

von Ulrich Wackerbarth

DreipersonenDreipersonen-Verhältnisse eignen sich nicht zum Bloggen, ich versuche es trotzdem. Schließlich geht es um Geld, das interessiert vielleicht. Wenn man es ausgibt, dann manchmal über eine Bank per Überweisung. Hier sollte knapp die Hälfte einer Rechnung (5.000 von 11.900 Euro) überwiesen werden, mehr nicht. Am Schluss aber erhielt der Empfänger doch (fast) alles. Und das kam so: Nach dem Auftrag, den der Zahler dem Empfänger durch die Bank auch noch ankündigen ließ, stellte irgendjemand fest, dass Kontonummer und Name des Empfängers nicht übereinstimmten. Also keine Überweisung, sondern Anruf beim Bankkunden (Zahler). Der sagte: „Storniert das mal, ich überweise selbst“. Damit war die Bank einverstanden. Womit der Zahler, der daraufhin den Betrag von 5.000 € online selbst überwies, nicht rechnete: der Empfänger, der ja schon wusste, dass das Geld auf dem Weg zu ihm war, rief bei der Bank an und fragte, wo die Überweisung bleibe. Die (über das Storno nicht informierte) Beraterin am Telefon: „Oh, das ist ein Versehen, das ist irgendwie bei uns hängen geblieben, ich überweise es ihnen gleich.“ Und so war der Betrag von 5.000 Euro im Ergebnis dann doch zweimal zum Empfänger gelangt.

Nun sagt aber § 675u BGB: Die Bank darf ihrem Bankkunden die 5.000 Euro nicht belasten, da der Zahlungsvorgang von ihm „nicht autorisiert“ war. Ergo klagte die Bank auf Rückzahlung gegen den Empfänger. Und der sagte: Nö, es ist doch alles in Ordnung, ich hatte ja sogar 11.900 Euro zu bekommen, ihr kriegt nichts zurück. Und im Übrigen sah es für mich doch so aus, als hätte mein Schuldner, Euer Bankkunde, gezahlt.

Tja, diesen Einwand ließ der BGH nun, anders als früher, nicht mehr gelten. Der Empfänger müsse der Bank die 5.000 Euro zurückgeben, da ihm gegenüber gerade keine Leistung des Bankkunden anzunehmen sei. § 675u schließe die Annahme einer Leistung aus, wenn ein nicht autorisierter Zahlungsvorgang vorliege und das sei hier der Fall. Ergo sei der Empfänger im Verhältnis zum Bankkunden so zu behandeln, als sei nicht bezahlt (den muss er dann halt auf Zahlung verklagen); der Bank aber müsse er den irrtümlich gezahlten Betrag erstatten (§ 812 BGB). Wie zu erwarten war, hat das Urteil in der Literatur ein „geteiltes“ Echo erfahren. Die einen finden das Ergebnis gut, die Begründung aber schlecht ( z.B. Jansen, JZ 2015, 952; Lorenz, LMK 2015, 373997), weitere begrüßen Ergebnis und Begründung (Wösthoff, BB 2015, 2068; Foerster, BKR 2015, 470, 471), wieder andere weder das eine noch das andere (so wohl Kiehnle, NJW 2015 3095 f.; sehr enttäuscht Omlor, EWiR 2015, 595 f.). Ich gehöre eher zu den Letzteren.

1. Was besagt § 675u BGB?

Die einen (etwa Wösthoff, BB 2015, 2068; Foerster, BKR 2015, 470, 471) meinen mit dem BGH: § 675u BGB schließt alle Ansprüche der Bank gegen ihren Kunden aus, wenn der Zahlungsvorgang wie hier „nicht autorisiert“ im Sinne des § 675j BGB war, also auch Bereicherungsansprüche der Bank. Dann kann sie im Ergebnis natürlich nur gegen den Empfänger vorgehen.

Die anderen (etwa Omlor, EWiR 2015, 595 f.; vgl. auch Jansen, JZ 2015, 952, 954; tendenziell auch Lorenz, LMK 2015, 373997) meinen auch nach der Entscheidung des BGH: § 675u BGB schließt lediglich einen Aufwendungsersatzanspruch aus, d.h. einen schuldvertraglichen Anspruch, während bereicherungsrechtliche Ansprüche von dieser Norm – die auf die Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie zurückgeht – unangetastet blieben.

2. Wie ist nach beiden Ansichten rückabzuwickeln?

Der zentrale Unterschied zwischen beiden Lagern liegt nicht etwa in der Frage, wer am Ende gegen wen klagt, sondern mehr darin, was vorgetragen werden muss, um die Klage zu gewinnen.

Nach den Vertretern der h.M. muss die Bank hier nur sagen: wir waren zur Überweisung nicht autorisiert und haben uns geirrt – und schon kriegt sie ihr Geld vom Zahlungsempfänger zurück, der sich allenfalls noch auf § 818 Abs. 3 BGB berufen könnte. Nach der Mindermeinung hätte die Bank hingegen nur die Möglichkeit, aus dem abgetretenen Recht ihres Bankkunden gegen den Empfänger vorzugehen (Kondiktion der Kondiktion). Sie müsste deshalb

– erstens einmal sich eine Rückzahlungsforderung des Kunden gegen den Empfänger abtreten lassen

– und zweitens dann dem Empfänger gegenüber geltend machen, dieser habe keinen Anspruch auf das erhaltene Geld und habe es daher zurückzuzahlen.

Nach der Mindermeinung könnte die Bank also nur fremdes Recht, nämlich das ihres Kunden geltend machen. Die Vertragsbeziehungen blieben in diesem Falle gewahrt und würden nicht durch eine Direktkondiktion durchbrochen. Die Bank müsste viel mehr vortragen als bloß: „wir haben uns geirrt“, sie müsste letztlich anstelle ihres Kunden die Auseinandersetzung im Valutaverhältnis führen. Für die Bank ist das natürlich wenig angenehm, vor allem, wenn ihr Kunde schon seine eventuellen Ansprüche gegen den Empfänger nicht abtreten will. Dann muss sie ihn nämlich zuvor auch noch auf Abtretung verklagen. Aber schließlich hat sie den Fehler ja auch verursacht, da ist Mitleid nicht angebracht.

3. Wie geht der Ringelreih dann weiter?

Nach der Mindermeinung ist die Angelegenheit für die Bank nach der Klage aus abgetretenem Recht nur dann vorbei, wenn die Bank ihr Geld zurück erhält. Dann dürfte auch im Verhältnis zwischen Empfänger und Bankkunde geklärt sein, dass die Zahlung eben nicht geschuldet war, der Spuk ist vorbei. Verliert die Bank jedoch und erhält ihr Geld nicht zurück, weil der Empfänger im Verhältnis zum Bankkunden das Geld behalten darf, ist guter Rat teuer. Es kann ja nicht  sein, dass der Ringelreih nun vorbei ist und die Bank als weinender Dritter dasteht, die Vertragshelfer für Zahler und Empfänger gespielt hat. Das Geld muss vom Zahler zur Bank, auch wenn § 675u BGB das noch so sehr ausschließen will.

Nach der Mimei hat die Bank in diesem Falle einen weiteren Anspruch gegen ihren Kunden, nämlich wiederum den aus Leistungskondiktion, da sie mit ihrer Zahlung ja auch im Deckungsverhältnis an ihren Kunden leistete. Nachdem feststeht, dass der Kunde im Valutaverhältnis zahlen musste, hat er den Wert der erlangten Befreiung von dem Anspruch des Empfängers herauszugeben. M.a.W.: Die Bank erhält dann doch das Geld von ihrem Kunden.

Nach der h.M. ist die Angelegenheit für die Bank nach der Klage in jedem Falle vorbei, wenn sie das Geld zurückerhalten hat. Hat sie verloren, dann nur, weil eben doch eine Überweisung autorisiert war, dann kann sie ihrem Kunden den Betrag auch belasten. In einer weiteren Klage des Empfängers gegen den Kunden wird geklärt, ob der Kunde eben noch zahlen muss oder nicht.

4. Die Konsequenzen der h.M. betreffen künftig alle Überweisungsempfänger!

Die h.M. scheint eine einfache und daher vorzugswürdige Lösung gegenüber den Abtretungs- und Regresserfordernissen der Mindermeinung zu bieten. Dennoch bestehen ernstzunehmende Bedenken, die vor allem von Jansen, JZ 2015, 954 f. formuliert sind: Zunächst weist er darauf hin, dass die h.M. die Bank mit dem Insolvenzrisiko einer ihr fremden Person belastet (des Emfängers), was man freilich noch mit dem Irrtum der Bank rechtfertigen könne, dessen Konsequenzen sie zu tragen habe.

Wichtiger ist der zweite Einwand: Die Empfänger einer (jeder!) Überweisung können sich künftig nicht mehr darauf verlassen, dass das Geld, das bei ihnen ankommt, tatsächlich eine Leistung ihres Vertragspartners respektive Schuldners war. Das greift weit aus und kann nicht nur bei der Frage von Rückforderungen sondern auch dann eine Rolle spielen, wenn der Empfänger angesichts einer Überweisung seinerseits Leistungen erbringt, um dann überraschend zu erfahren, dass die Zahlung gar keine war. Die Tatsache, dass dem Horizont des Zahlungsempfängers künftig keine (!) Bedeutung mehr zukommen soll, kann u.U. auch zu Missbrauch (Kollusion) führen. Das kann nicht richtig sein! Zwar ist einzusehen, dass erkennbar ungerechtfertigte Beträge, die auf meinem Konto landen, einer Gefahr der Rückforderung ausgesetzt sind. Damit kann ich umgehen. Aber mich als Empfänger gehen doch Probleme im Schuldverhältnis zwischen Bank und Kunde (die „Autorisierung“ der Überweisung im Deckungsverhältnis) nichts an.

Und was wertungsmäßig gar nicht geht, auch darauf weist Jansen aaO hin: Die Forderung des Empfängers gegen den Zahler kann bereits verjährt sein, wenn sich der Irrtum der Bank nur etwas zu spät herausstellt. Dann muss er erstatten, ohne jemals Anlass zur Klageerhebung gehabt zu haben. Und was ist mit angefochtenen Autorisierungen? Was mit nachträglich einverständlich aufgehobenen? Möglicherweise gibt es noch weitere Beispiele, die allesamt eins zeigen: Die Lösung des BGH macht den Erfolg der Klage der Bank gegen den Empfänger allein von einem fremden Vertragsverhältnis (dem Deckungsverhältnis) abhängig, ohne das es auf die Sichtweise des Empfängers ankäme. Mir scheint das ein Verstoß gegen das Prinzip der Relativität der Schuldverhältnisse zu sein

5. Ein dritter Weg?

Ein dritter, vermittelnder Weg ist vielleicht noch nicht genau durchdacht: Könnte man etwa die Reichweite des § 675u BGB noch mal etwas genauer betrachten? Möglicherweise schließt er zwar nicht nur vertragliche Ansprüche, sondern auch die Leistungskondiktion der Bank gegen ihren Kunden aus. Denn immerhin will die Zahlungsdiensterichtlinie den vermeintlichen Zahler im Falle fehlender Autorisierung vollständig aus der Abwicklung fehlgeschlagener Zahlungsvorgänge heraushalten; dem widerspräche eine sofortige Inanspruchnahme durch die Bank. Andererseits geht es um den notwendigen Vertrauensschutz des Empfängers. Dem widerspräche der pauschale Rückforderungsanspruch der Bank aus eigenem Recht (vgl. zu dem Konflikt ausführlicher MüKo/Casper § 675u BGB Rn. 22f.) Die von Casper geforderte möglichst späte Einbeziehung des Zahlers könnte gewahrt werden, indem man der Bank (nur) noch eine subsidiäre Nichtleistungskondiktion (die Rückgriffskondiktion) gegen ihren Kunden belässt, wenn sich bei der Klage gegen den Empfänger aus abgetretenem Recht herausstellt, dass er das Geld behalten darf. Diesen letzten Bereicherungsanspruch wollte der (deutsche oder europäische) Gesetzgeber bestimmt nicht ausschließen. Kommentare von interessierter Seite willkommen!

2 Reaktionen zu “Eins, zwei, drei. Immer schön im Ringelreih.”

  1. Arndt Kiehnle

    Der dritte Weg

    … unterscheidet sich doch von der so genannten (abgesehen vom BGH eher vorherrschenden) Mindermeinung gar nicht. Wo der Zahler (nur) eine Leistungskondiktion gegen den Empfänger erlangt hat, kann auch nur diese seitens des Zahlungsdienstleisters kondiziert werden. Hat der Zahler dagegen Befreiung von einer im Valutaverhältnis bestehenden Verbindlichkeit erlangt und somit auch keinen Rückzahlungsanspruch gegen den Empfänger, schuldet er dem Zahlungsdienstleister Wertersatz nach § 818 Abs. 2.

    Mit besten Grüßen aus dem fernen Bochum ins nahe Hagen

  2. Prof. Wackerbarth

    Tja, da bin ich anderer Meinung. Der von mir sog. „dritte Weg“ schließt jedenfalls die von Canaris, Köndgen und Lieb, Lorenz, meinem Fakultätskollegen v. Sachsen – Gessaphe und anderen vertretene (mittlerweile wohl in der Literatur herrschende) Auffassung aus, nach der die Bank in Fällen des Doppelmangels statt der Kondiktion der Kondiktion in aller Regel sofort Wertersatz gem. § 818 Abs. 2 BGB vom Zahler verlangen könnte (siehe dazu am aktuellsten mit Nachweisen MüKo Schwab § 812 BGB Rn. 73 ff.; vgl. auch Staudinger/Lorenz § 812 Rn. 55, NK-v. Sachsen-Gessaphe § 812 Rn. 142). Offenbar, das entnehme ich Ihrem Kommentar, sind Sie insoweit aber ein Befürworter der Kondiktion der Kondiktion mit sämtlichen Konsequenzen. Dann unterscheiden sich unsere Auffassungen vermutlich nicht.

    Ihnen Dank für den Kommentar und herzliche Grüße von der fernen an die präsente Uni…