Blackbox und Bußgeldregress im Unternehmen

von Ulrich Wackerbarth

 

 

blackbox2-1Grunewald legt in NZG 2016, 1121 ff. dar, warum sie den Regress gegen Geschäftsführer oder Vorstand für ausgeschlossen hält, wenn gegen die Gesellschaft ein Bußgeld, z.B. wegen eines vom Organ begangenen Kartellverstoßes, verhängt wurde. Die Frage ist im Zuge einer Entscheidung des LAG Düsseldorf v. 20.1.2015 derzeit sehr umstritten. Im Kern läuft die Argumentation von Grunewald auf S. 1122 darauf hinaus, dass ein Regress mit dem Zweck der Bußgeldtatbestände unvereinbar wäre. Der Nonchalance, mit der Grunewald den Regress ablehnt, kann ich mich nicht anschließen.

1. Prävention des geschäftsführenden Organs oder „des Unternehmens“?

Zum einen schreibt sie sinngemäß (aaO, 1122), zwar könne ein Bußgeld vor allem dann Präventionswirkung entfalten, wenn es (im Wege des Regresses) am Ende den Verantwortlichen (das Organ) treffe. Oberflächlich spreche das für die Möglichkeit des Haftungsregresses gegen Vorstand oder Geschäftsführer. Jedoch müsse bei „genauerer Betrachtung“ die Präventionswirkung der Bußgeldvorschriften „das Unternehmen“ treffen. Dieses nämlich soll durch die Höhe des Bußgeldes veranlasst werden, Präventionsmaßnahmen zu entwickeln. Daher sei letztlich ein Regress mit dem Schutzzweck der Bußgeldvorschriften unvereinbar.

Gegen diese Überlegung werde zwar geltend gemacht, mangels ausreichenden Vermögens des Geschäftsleiters, um die oft sehr hohen Bußgelder zu ersetzen, bzw. angesichts von Beweisproblemen im Regressprozess werde in aller Regel die Gesellschaft ohnehin einen erheblichen Teil des Bußgelds aus eigener Tasche zahlen müssen. Die Abschreckungswirkung des OWi-Tatbestandes bleibe also erhalten, auch wenn man den Regress zuließe. Diesen Einwand lehnt Grunewald zu Recht als ungenügend ab. Schließlich kann es ja im Einzelfall auch anders liegen und tatsächliche Möglichkeiten ändern nichts an rechtlichen Schutzzwecküberlegungen.

Man muss also vorher ansetzen. M.E. geht die Schutzzwecküberlegung insgesamt fehl. Wie, so ist zu fragen, können denn „Unternehmen“ durch OWi-Tatbestände überhaupt von einem unerwünschten Tun abgehalten werden? Unternehmen sind keine Menschen und haben keinen eigenen Willen, sondern werden von Menschen gelenkt. Diese muss man also erwischen, wenn man Verhalten steuern will. Und welche Anreize hat denn etwa ein Vorstand(!), „Präventionsmaßnahmen zu entwickeln“, wenn nicht er, sondern „das Unternehmen“, im Ergebnis also die Aktionäre sein Fehlverhalten bezahlen?!

Diese Überlegung wirft freilich die Frage auf, warum dann Bußgelder nicht stets nur und unmittelbar gegen den verantwortlichen Geschäftsleiter verhängt werden, sondern i.a.R. gegen „das Unternehmen“, d.h. die jur. Person. M.E. liegt es daran, dass den staatlichen Behörden nicht zugemutet werden kann, die Innenorganisation der Aktiengesellschaft oder GmbH auf tatsächliche Aufgaben- und Verantwortungsteilung zu untersuchen. Es könnte ja auch sein, dass der Vorstand in einer kleinen Aktiengesellschaft z.B. auf Weisung der Hauptversammlung gehandelt hat oder in Wahrheit der Aufsichtsrat die treibende Kraft war. In diesen Fällen scheidet ein Regress oder eine Haftung des Vorstands aus. Die Innenverhältnisse der juristischen Person stellen aber für die Bußgeldbehörden gleichsam eine uneinsehbare Blackbox dar. Deshalb auferlegt die Behörde das Bußgeld der Gesellschaft.

Die Strafe anschließend den tatsächlich verantwortlichen Personen zuzuweisen, ist Aufgabe des Unternehmens selbst, ultima ratione die Aufgabe der Gesellschafter, um deren Unternehmen es sich handelt und deren Vermögen durch das Bußgeld gemindert wird, da es ja von der jur. Person bezahlt wird.

Den Gesellschaftern vollständig zu verbieten, sich dieses Geld von den Verantwortlichen zurückzuholen, wird der Sachlage daher nicht gerecht, mögen sie sich den Geschäftsleiter auch seinerzeit ausgesucht haben. Managerverträge sind notwendig unvollständige Subordinationsverträge mit unbestimmten Treuepflichten. Man kann schon angesichts der Unmöglichkeit einer lückenlosen Überwachung der Manager nicht zu den Gesellschaftern sagen: „Hättet ihr Euch einen anderen Manager ausgesucht, wäre das alles nicht passiert“.

2. Unwirksamkeit vertraglicher Übernahme von Bußgeldern als Argument?

Grunewald schreibt zur Untermauerung ihrer Auffassung weiter, die Vereinbarung der Übernahme von Bußgeldern werde von allen für unwirksam (z.B. sittenwidrig) gehalten. Wenn es aber unwirksam sei, mit dem Vorstand zu vereinbaren, dass er das der AG auferlegte Bußgeld zahle, dann dürfe nun nicht diese unwirksame vertragliche Regel im Ergebnis (im Wege des Haftungsregresses) einfach aus dem Gesetz abgeleitet werden. Denn:

„Es kann nicht sein, dass eine vertragliche Regel, die das wiederholt, was ohnehin gilt (jeder Angestellte, der ein Bußgeld des Unternehmens durch sein Handeln herbeiführt, hat dem Unternehmen das Bußgeld zu ersetzen), unwirksam ist.“

Für die Unwirksamkeit der nämlichen Vereinbarungen zitiert Grunewald in Fn. 13 eine Reihe Literatur und Rechtsprechung. In den Quellen aber finden sich ausschließlich Stellungnahmen, die die Übernahme von gegen das Organ oder Arbeitnehmer der Gesellschaft verhängten Bußgeldern durch die Gesellschaft betreffen! Deren Unwirksamkeit nun wiederum ist klar, weil sonst ja ein Anreiz für die natürlichen Personen geschaffen würde, Ordnungswidrigkeiten zu begehen (da ihnen das Bußgeld ja ersetzt wird). Solche Anreize sind indes im hier gegebenen Fall ausgeschlossen: Das Unternehmen an sich unterliegt keiner Anreizstruktur, sondern wiederum nur der für das Unternehmen handelnde Geschäftsleiter!

Vielmehr wird umgekehrt ein Schuh daraus: Letztlich schaffte ein generelles Regressverbot Anreize für Geschäftsleiter, Ordnungswidrigkeiten zu begehen, da sie dann jedenfalls für denjenigen Teil des von ihnen verursachten Schadens nicht mehr haften, der auf gegen die Gesellschaft ergangene Bußgeldbescheide zurückgeht. Und so hat der BGH bereits 1957 (NJW 1957, 586) festgehalten, dass zwar eine zivilrechtliche Abwälzung von Bußgeldern auf den „wahren Verantwortlichen“ nicht die Regel ist, aber sehr wohl dann zu bejahen ist,

„wenn ein Dritter den Täter zu seiner Straftat nicht nur durch einen unverbindlichen Rat oder durch eine unerlaubte Handlung veranlaßt hat, sondern durch schuldhafte Verletzung einer vertraglichen Verpflichtung, deren Inhalt dahin ging, den Täter vor der Begehung einer solchen Straftat durch Warnungen oder ähnliche Hinweise zu schützen.“

Und wird man es nicht gerade als einen wesentlichen Teil der (Loyalitäts-) Pflichten des Geschäftsleiters ansehen müssen, dass er seine Gesellschaft (als Täter im Sinne des BGH-Zitats) davor beschützt, durch von ihm selbst ausgeführte Handlungen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu begehen und dadurch geschädigt zu werden? Ein Regreßverbot ist deshalb auch mit der Vermögensbetreungspflicht der Geschäftsleiter von Kapitalgesellschaften unvereinbar.

3. „Weitergabe“ von Vertragsstrafen?

Schließlich – mit dem bislang Gesagten nur äußerst mittelbar zusammenhängend — äußert sich Grunewald (aaO., 1124) noch zu den vom BGH mehrfach entschiedenen Vertragsstrafen-Subunternehmer-Fällen. Die gehen so: Wenn der Hauptunternehmer die Werkerstellung einem Subunternehmer überlässt und dieser das Werk verschuldet zu spät erstellt, so kann der Hauptunternehmer vom Subunternehmer auch den Ersatz von Vertragsstrafen verlangen, die er (der Hauptunternehmer) mit dem Auftraggeber vereinbart hat (sog. Haftungsschaden, BGH NJW 1998, 1493; ebenso Rieble, DB 1997, 1165 f.; a.A. dagegen z. B. OLG Dresden, NJW-RR 1997, 83). Auf diese Art und Weise kann die Vertragsstrafe auf den Subunternehmer abgewälzt werden. Der BGH verlangt insoweit nur, dass der Hauptunternehmer den Subunternehmer über die Vertragsstrafe informiert und überhöhte Vertragsstrafen abwehrt.

Aber beides genügt – entgegen Grunewald – nicht für den notwendigen Schutz des Subunternehmers. Die Entscheidung des BGH lässt nämlich in weitem Umfang Verträge zulasten Dritter zu: Wenn der Subunternehmer bei Vertragsschluss mit dem Hauptunternehmer nichts von der Vereinbarung zwischen Auftraggeber und Hauptunternehmer wusste, dann verstößt die vom BGH zugelassene „Weitergabemöglichkeit“ gegen das Relativitätsprinzip. Den Subunternehmer gehen Vereinbarungen seines Vertragspartners mit Dritten im Grundsatz nichts an. Anders ist es nur dann, wenn der Subunternehmer bei Vertragsschluss auf dieses Risiko hingewiesen wurde, aber dann beruht seine Inanspruchnahme schlußendlich auf seiner Zustimmung.

Freilich darf man das Argument mit dem Relativitätsprinzip nicht zu weit treiben, sonst könnte ja der Hauptunternehmer auch etwa einen entgangenen Gewinn aus Geschäften mit Dritten vom säumigen Subunternehmer nicht ersetzt verlangen. Aber gerade bei der Vertragsstrafe muss die Möglichkeit der „Weitergabe“ von einer vor Vertragsschluss erfolgenden Information abhängig sein. Sonst bestünde für den Hauptunternehmer erstens keine Veranlassung, Vertragsstrafen mit dem Auftraggeber im eigenen Interesse nur vorsichtig zu vereinbaren. Denn er könnte sie ja einfach an den Subunternehmer weiterreichen. Ihm (dem Hauptunternehmer) gegenüber entfaltete die Strafvereinbarung dagegen keine Druckfunktion mehr oder doch nur insoweit, als er zunächst selbst zahlen muss und deshalb das Risiko der Insolvenz des Subunternehmers zu tragen hat. Gegenüber dem Subunternehmer dagegen könnte der Hauptunternehmer zweitens einseitig Druck aufbauen (wenn er die Vertragsstrafe nämlich erst später mit dem Auftraggeber vereinbart und dies dem Subunternehmer dann mitteilt). Das kann nicht richtig sein.

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