Klarstellung zu Weihnachten: Darlehen sind keine Geschenke!
von Ulrich Wackerbarth
In der Doppelinsolvenz von (Mehrheits-)Gesellschafter und GmbH kämpfen in aller Regel Not und Elend gegeneinander. Elend, hier repräsentiert vom Insolvenzverwalter einer GmbH, musste sich gegen Not, den Verwalter des ebenfalls bankrotten Gesellschafters, zur Wehr setzen. Dieser hatte im Jahr 2006 zwei Gesellschafterdarlehen gegeben, die gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO im Insolvenzfall nachrangig sind. Das wollte Not aber nicht wahrhaben und meinte, da das Darlehen in der Krise gegeben sei, handele es sich – sozusagen weil der Gesellschafter ja wusste, dass sein Rückzahlungsanspruch dem Nachrangeinwand ausgesetzt sein werde – nicht um ein entgeltliches Geschäft zwischen ihm und seiner GmbH, sondern um eine unentgeltliche Zuwendung im Sinne des § 134 InsO. Und deshalb könne der Rückforderungsanspruch eben doch nicht nachrangig sein. Denn die Gläubiger des insolventen Gesellschafters müssten schließlich davor geschützt werden, dass dieser sein Vermögen an seine Gesellschaft „verschenke“.
1. Das endgültige „Aus“ für das Kapitalersatzrecht
Dieser im Grunde genommen grotesken Argumentation ist der IX. Senat des BGH mit Urteil vom 13.20.2016 nun zu Recht entgegengetreten. Zwar sei der Begriff der Unentgeltlichkeit in § 134 InsO weit auszulegen, setze insbesondere eine Einigung über die Unentgeltlichkeit – wie bei § 516 BGB – nicht voraus (Rn. 13). Unentgeltlichkeit iSd § 134 InsO sei gegeben, wenn
„ein Vermögenswert des Verfügenden zu Gunsten einer anderen Person aufgegeben werde, ohne dass dem Verfügenden ein entsprechender Vermögenswert vereinbarungsgemäß zufließen soll.“
Der Mittelüberlassung durch den Gesellschafter stehe aber – neben einer etwaigen Verzinsung des Darlehensbetrages – als vereinbarte Gegenleistung der Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens nach Fälligkeit (§ 488 Abs. 1 S. 2 BGB) gegenüber. Zwar sei dieser Anspruch durch die Anordnung des Nachrangs im Insolvenzfall mit einem erhöhten Ausfallrisiko behaftet. Das rechtfertige jedoch nicht die Annahme einer Unentgeltlichkeit. Eine anfechtungsrechtliche Sonderbehandlung scheide daher aus. Das gelte selbst dann, wenn das Darlehen innerhalb eines Jahres vor Insolvenz der Gesellschaft gegeben wird (Tz. 26), womit der Senat insbesondere Altmeppen widerspricht.
Noch im Jahr 2015 hat der gleiche Senat — noch in Anwendung des Eigenkapitalersatzrechts — insoweit vertreten, wer als Gesellschafter der GmbH in der Krise Geld gebe, der wisse, dass er es nicht zurückbekomme, und also verschenke er es quasi (siehe hier in Rn. 15). Im Verhältnis zu den Gläubigern des Gesellschafters war die Nachrangigkeit des Rückzahlungsanspruchs gem. § 134 InsO anfechtbar. Auch unter Geltung des MoMiG wurde Gleiches noch in der Literatur vertreten, teilweise wurde sogar angenommen, das jedes (!) Gesellschafterdarlehen wegen des Nachrangs in der Insolvenz nach § 134 InsO anfechtbar gewährt wurde (Nachweise finden sich in der Entscheidung des BGH in Rn. 17). Damit ist nun Schluss, der IX. Senat schüttelt nun auch noch die letzten Reste des alten Eigenkapitalersatzrechts ab.
Wenn der Gesellschafter etwas zu verschenken hat, dann verschenkt er es, gibt er ein Darlehen, dann verschenkt er zunächst einmal nichts. Dem ist zuzustimmen. Damit ist zwar durchaus eine gewisse Naivität in der Herangehensweise verbunden, die aber der beste Ausgangspunkt für die weitere Rechtsentwicklung sein dürfte. Die teilweise bestehende Doppelbödigkeit der Überlegungen in der Literatur, mit denen vermutlich vor allem Mißbrauchsmöglichkeiten abgeschnitten werden sollen, trägt der IX. Senat durchaus Rechnung, indem er sich eine abweichende Beurteilung Fälle vorbehält, in denen ein verlorener Zuschuß formal als Darlehens gegeben wird.
2. Mißbrauchsmöglichkeiten?
„Schenkt“ der Gesellschafter der GmbH tatsächlich Mittel, dann können seine Gläubiger dies in der Tat anfechten. Doch ermöglicht das dem Gesellschafter zunächst kein Manipulationspotential. Ein gewolltes Darlehen wird er nicht als Schenkung qualifizieren. Denn wenn nur die GmbH insolvent ist (er aber nicht), besteht gerade kein Rückzahlungsanspruch, weil vertraglich ausgeschlossen.
Umgekehrt kann der Gesellschafter allerdings unter bestimmten Umständen veranlasst sein, einen verlorenen Zuschuss als Darlehen auszugeben. Denkbar ist insbesondere in Konzernsituationen, dass der Mehrheitsgesellschafter Gläubiger einer bestimmten Tochtergesellschaft bevorzugen will: Wenn V, der Vorstand der Obergesellschaft O, absehen kann, dass sowohl Tochter-GmbH T als auch Enkel-GmbH E insolvent sein werden, könnte er veranlassen, dass T der E unentgeltlich noch vorhandene liquide Mittel zur Verfügung stellt, um die Gläubiger von E gegenüber denen von T zu bevorzugen. Um zugleich zu vermeiden, dass die Gläubiger von T die Mittelüberlassung über § 134 InsO anfechten, lässt O die T diesen Zuschuss der E formal als Darlehen geben. Dann unterläge der Rückforderungsanspruch dem Nachrang und die Anfechtung durch Gläubiger der T wäre ausgeschlossen, die Gläubiger von E wären wie gewünscht bevorzugt.
Solchen besonderen Situationen ist letztlich nur im Einzelfall mit der Mißbrauchskontrolle beizukommen. Mit Recht hat der IX. Senat eine solche Kontrolle ausdrücklich für möglich gehalten (Rn. 14).
3. Entgeltlichkeit zinsloser Darlehen?
Schließlich kann man fragen, wie genau zinslose Darlehen künftig gehandhabt werden. Auch bei diesem gibt es ja einen Rückzahlungsanspruch. Der BGH hält auch in diesem Falle eine Entgeltlichkeit für gegeben, wie sich aus Rn. 14 und 19 ergibt. Ich glaube allerdings nicht, dass der IX. Senat in einem solchen Fall die Unentgeltlichkeit vollständig verneinen würde. Es dürfte in solchen Fällen vor allem darum gehen, in welcher Höhe ein Vermögenswert ohne Gegenzufluss durch den Gesellschafter „aufgegeben“ wurde. Ein zinsloses Darlehen dürfte deshalb zwar unentgeltlich, aber eben nicht vollständig unentgeltlich im Sinne des § 134 InsO sein. In Höhe des marktüblichen Zinssatzes liegt durchaus eine unentgeltliche Zuwendung vor, nicht aber in der vollständigen Überlassung der Mittel.
Die Vergabe zinsloser Darlehen durch den Gemeinschuldner an seine später insolvente Gesellschaft sollte also teilweise angefochten werden können. Das hätte zur Folge, dass ein Anspruch in Höhe des marktüblichen Zinses ohne Nachrang zur Tabelle angemeldet werden kann. Am Nachrang des Rückzahlungsanspruchs im Übrigen ändert es nichts.