Start in die Konferenz – verfassungsrechtliche Fragen
von Ulrich Wackerbarth
Der Vormittag des ersten Tages der Konferenz ist vorbei – und einige spannende und z.T. auch überraschende Fragen sind erörtert worden. Nach einigen welcome adresses und beschrieb zunächst Peter Schiffauer Details des Austrittsprozesses. Michael Lawrence stellte Bezüge zwischen Brexit und der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten her. Beides sei Ausfluss von Populismus-Tendenzen, deren Erfolg sich auch daran zeige, dass es zunehmend eine „Regierung durch Referendum“ gebe. Dabei habe man nur auf den ersten Blick den Eindruck von mehr direkter Demokratie, in Wahrheit würden Manipulationen, Polarisierung und dem unbedachten Bauchgefühl statt der Ratio zu viel Raum gegeben. Auch warnte er davor, Donald Trump zu unterschätzen. Er schloss mit der Abwandlung eines hoffnungsvollen Zitats Martin Luther Kings: „The ark of history is long but it bends toward justice“.
A fine mess
Im ersten Panel erfuhren wir dann von Edwin Parks und Carol Howells einiges über die Kompetenzverteilung im Vereinigten Königreich, das man sich eben nicht wie einen Bundesstaat aus 4 Ländern (England, Wales Scotland, Nothern Ireland) vorstellen darf. Howells beschrieb es eher als einen Prozess, bei dem im Momentanzustand (anders noch als beim Beitritt in den 70er Jahren) viele Kompetenzen bei den einzelnen Regionen liegen und auch die Rechtssysteme durchaus unterschiedlich sind (Schottland etwa hat keine common law Tradition). Viele Regionalzuständigkeiten betreffen aber (wie etwa Landwirtschaft, Fischerei, Umweltschutz) Fragen, die zur Zeit von der EU geregelt werden. Es ist nach Edwin Parks vollkommen offen und wird auch durch die sog. EU (Withdrawal) Bill keineswegs geregelt, ob, wann und wie die Kompetenzen nach dem Brexit in die Regionen zurückgegeben werden. Zur Zeit sieht die EU (Withdrawal) Bill vor, dass das EU-Recht in nationales UK-Recht transformiert wird und anschließend die Regierung (!) Änderungen vornehmen kann. Typisch britisch (ironisch zurückhaltend) bezeichnet Edwin Parks diesen Zustand als „a fine mess“, in den die Politik das Vereinigte Königreich gebracht habe.
Brexit und EWR
Spannend war auch der zweite Vortrag von Dominik Steiger über Fragen des Internationalen öffentlichen Rechts. Launig mit Zitaten von Tina Turner begann er seinen Vortrag und erläuterte uns anhand der Wiener Vertragsrechtskonvention, welche Folgen ein harter Brexit für die Bindung des Vereinigten Königreichs an wohlerworbene Rechte bzw. an Verträge des EU mit Drittstaaten habe. Überraschend für mich war seine Argumentation, dass das Vereinigte Königreich gem. Art. 70 der WVRK auch nach einem harten Brexit jedenfalls keine vollständige Freiheit habe, mit den bereits in Großbritannien ansässigen EU Bürgern zu machen was es will. Dominik Steiger ging sogar so weit, UK in Bezug auf solche Personen nach wie vor an EU-Recht gebunden zu sehen. Ob das im Königreich selbst auch so gesehen wird, ist fraglich, immerhin gibt es englischen Gerichten die Möglichkeit einer Kontrolle von post-Brexit Regulierungen zulasten von dort ansässigen EU-Bürgern. Und der Refernet wies überzeugend darauf hin, dass Großbritannien auch nach einem Brexit nach wie vor an sämtliche völkerrechtlichen Verträge gebunden bleibe, die die EU mit Drittstaaten geschlossen habe, solange das Königreich – aus welchen Gründen auch immer – selbst auch (neben der EU) als Vertragspartei genannt ist. Das gilt etwa (ohne dass die explizit erwähnt wurde) auch für den Vertrag über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) – denn auch hier ist UK ausdrücklich neben der EU als Vertragspartner genannt. Ohne gesondert erklärten Austritt bliebe UK dann auch nach dem 29.3. 2019 Mitglied im gemeinsamen Markt und der Brexit wäre in Wahrheit keiner. Mal schauen, ob wir darüber noch näher diskutieren werden.