Der Hauptzweck der Haftungskonzentration bei Partnerschaftsgesellschaften

von Ulrich Wackerbarth

Von hinten durch die Brust – aber neben die Augen, so kommt mir der Beitrag von C. Schäfer in der NZG 2020, 401 ff. mit dem Titel „Aktuelle Fragen zur Haftung für Berufsfehler in der Partnerschaftsgesellschaft (PartG)“ vor. Vordergründig geht es Schäfer um ein aktuelles Urteil des BGH zur Haftung in der PartG, in Wahrheit aber um ein über 10 Jahre altes Grundsatzurteil zur Haftungskonzentration auf die „befassten Partner“ gem. § 8 Abs. 2 PartGG.

Der BGH führte in seinem Urteil aus dem Jahr 2009 aus, die Haftungskonzentration solle aus Sicht der Partner deren Rechts- und Planungssicherheit erhöhen und für die unbeteiligten Partner das Risiko der Inanspruchnahme minimieren. Zugleich sollte sie für den Geschädigten diejenigen als Haftungsadressaten zur Verfügung stellen, die sich für ihn erkennbar mit der Sache befasst haben. Daher hafteten auch solche Partner, die erst nach der Begehung des Fehlers mit dem Auftrag befasst wurden. Hört sich doch nachvollziehbar an, oder? Für mich jedenfalls, zumal die Zwecke auch so in der Gesetzesbegründung stehen.

Von hinten

Nicht aber für C. Schäfer: Er behauptet (aaO 402) zunächst, die Begründung des BGH sei zweigeteilt, der BGH rekurriere zunächst einmal auf allgemeine Grundsätze der Personengesellschaften, wenn es darum geht, dass Eintretende auch für Altverbindlichkeiten haften. Doch schon das ist nicht der Fall: in Rn. 15 stellt der BGH nicht auf allgemeine Grundsätze ab, sondern wiederholt in erster Linie den Gesetzeswortlaut des § 8 Abs. 1 S. 2 PartGG und dort ist diese Haftung für Altverbindlichkeiten nach § 130 HGB ausdrücklich angeordnet.Warum Schäfer das überhaupt erwähnt, bleibt zunächst dunkel. Denn sein eigentlicher Angriff zielt auf die erwähnte Ermittlung des Normzwecks des § 8 Abs. 2 PartG durch den BGH.

Durch die Brust

Zwar könne es ja sein, dass der Gesetzgeber (auch) die Haftungsdurchsetzung erleichtern wolle. Der Hauptzweck des § 8 Abs. 2 PartGG liege jedoch in seiner „haftungsbegrenzenden Wirkung“ durch Konzentration auf die befassten Partner (aaO 403). Woher Schäfer diese Qualifikation als Hauptzweck nimmt? Man weiß es nicht, er begründet es jedenfalls nicht.

Es folgt noch eine weitere Behauptung: An die „Befassung“ werde nur der leichteren Erkennbarkeit wegen angeknüpft, den Haftungsgrund bilde allemal der Berufsfehler selbst. Klar ist, gehaftet wird für einen Fehler. Indessen haften in jeder Personengesellschaft eben gem. § 128 HGB alle unbeschränkt haftenden Gesellschafter für alle Fehler, die der Gesellschaft zugerechnet werden – und das kann nun einmal auch bei solchen Fehlern der Fall sein, die sie nicht selbst verschuldet haben, sondern andere, vielleicht sogar nur ein Angestellter. Mit der Frage, wer gem. § 8 Abs. 2 PartGG von der Haftung ausgenommen wird, hat das nichts zu tun… Es passt indessen zur erwähnten Anordnung der Haftung für Altverbindlichkeiten nach § 130 HGB, wenn ein Partner neu in die PartG eintritt.

Damit ist die Argumentation auch schon wieder beendet. Mehr kommt nicht, auf über 6 Seiten NZG-Text, mit dem die angebliche Fehlerhaftigkeit einer bestätigten höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgezeigt werden soll.

Konsequenzen

Was aus dem Normzweck Haftungsbegrenzung angeblich folgt, legt Schäfer dann klar dar (aaO 403): Wenn Haftgrund der Berufsfehler sei, dann dürften nur solche Partner haftbar sein, bei denen über die Befassung hinaus zumindest die Möglichkeit besteht, dass sie am Berufsfehler beteiligt waren. Und das sei nur der Fall, wenn der Fehler während ihrer Befassung geschehen sei. Folgte man dem, so hätte man in der Tat eine weitreichende Haftungsbegrenzung in der Partnerschaft, auch wenn es sich gerade nicht um eine PartG mbB handelt. Denn entgegen der ausdrücklichen Anordnung in § 8 Abs. 1 S. 2 PartGG hafteten neu eintretende Partner eben nicht nach § 130 HGB für Altverbindlichkeiten, wenn der Fehler vor ihrem Eintritt geschah. Ausscheidende Partner hafteten entgegen § 10 Abs. 2 PartG nicht gem. § 160 HGB noch 5 Jahre für Altverbindlichkeiten, wenn der Fehler erst nach ihrem Ausscheiden geschah. Das kann nicht richtig sein. Aber damit nicht genug; innerhalb der Partnerschaft könnten Mandate – solange noch kein Fehler geschehen ist – trotz Befassung haftungsbefreiend an andere Partner übergeben werden, ein Ergebnis, das mit der Formulierung des § 8 Abs. 2 auf Kriegsfuß steht und der BGH in der aktuellen Entscheidung aus 2019 deshalb abgelehnt hat. An der früheren Befassung des übergebenden Partners ändert die Übergabe nichts.

Schäfer meint indessen, insoweit komme es nur auf die Erkennbarkeit der Übergabe für den Geschädigten an. Das heißt aber: Wird ihm schriftlich mitgeteilt, das Mandat sei von Partner X an Partner Y übergeben worden, dann könnte X für spätere Fehler des Y mangels Befassung nicht haftbar sein. Damit würde PartG ein denkbar einfaches Mittel in die Hand gegeben, der Befassungshaftung mehrerer Partner zu entkommen: sie müssten nur dafür sorgen, dass dem Mandanten/Auftraggeber stets ein einziger Verantwortlicher mitgeteilt wird. Soll der doch mal nachweisen, dass das intern anders geregelt war. Schon diese Überlegungen zeigen, dass dieses Verständnis von § 8 Abs. 2 PartGG nicht trägt.

Weitere Gegenargumente

Von der Notwendigkeit einer Befassung im Zeitpunkt des Berufsfehlers steht nichts in § 8 Abs. 2 PartGG, vielmehr liest sich § 8 Abs. 2 PartGG für einen unbefangenen Leser (und ganz offenbar auch für den BGH) als Ausnahme vom Grundsatz der gesamtschuldnerischen Haftung aller Partner, der in § 8 Abs. 1 PartGG festgehalten ist. Nach dem Grundsatz „singularia non sunt extendenda“ hätte der von Schäfer geforderte zeitliche Zusammenhang im Gesetz zumindest angedeutet sein müssen. Davon abgesehen lässt sich dieses Zeitmoment mitnichten aus der „Haftungsbegrenzung“ als dem von Schäfer behaupteten „Hauptzweck“ der Haftungskonzentration ableiten. Denn aus dem Zweck „Haftungsbegrenzung“ folgte nichts für die Art und Weise, wie diese erfolgt. Der zeitliche Zusammenhang ist aber nur eine von vielen denkbaren Arten.

Das Zeitmoment ist zudem denkbar ungeeignet: was ist mit Fehlern, die schon begangen sind, deren Auswirkungen aber ein neu eintretender bzw. befasster Partner noch vermindern kann? Man denke an eine fehlerhaft, weil unschlüssig erhobene Klage aus einem Dauerschuldverhältnis, mit der der Anwalt für bestimmte Zeiträume in der Vergangenheit bereits Verjährung hat eintreten lassen, für andere aber noch nicht: Der Fehler ist schon begangen, soll der neu befasste Partner nun haftungsfrei bleiben, auch wenn er die Auswirkungen (durch neuen, schlüssigen Sachvortrag) noch minimieren könnte? Oder soll gar der alte Partner (insoweit) haftungsfrei werden, weil die Schadensminimierung nach der Übergabe des Mandats allein dem neu befassten Partner oblag? Tritt mit solchen Unwägbarkeiten nicht genau die unübersichtliche Haftungssituation ein, vor der der Gesetzgeber den Geschädigten mit dem Abstellen auf die Befassung gerade bewahren wollte? Was ist mit Fehlern, die in einer dauerhaften Unterlassung bestehen? Soll dem Geschädigten wirklich zugemutet werden, den entstandenen Schaden je nach Zeitdauer der Befassung unterschiedlichen Partnern zuzurechnen und sie dann nicht als Gesamtschuldner, sondern jeweils gesondert auf Teile des Schadens in Anspruch nehmen zu müssen?

Die Auffassung Schäfers führt letztlich zu untragbaren Ergebnissen. Der in Anspruch genommene Partner könnte wörtlich sagen: „Haftung? Nö, dafür hatte ich keine Zeit…“

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