„acting in concert“ nach dem Risikobegrenzungsgesetz

von Ulrich Wackerbarth

Wie man hört, hat sich die Koalition nunmehr über die endgültige Formulierung des § 30 Abs. 2 WpÜG im Risikobegrenzungsgesetz geeinigt. Noch in die Diskussion eingreifen will Drinkuth, ZIP 2008, 675ff. mit dem Titel „Gegen den Gleichlauf des Acting in Concert nach § 22 WpHG und § 30 WpÜG“.

1. Drinkuth wiederholt zunächst die bereits mehrfach vorgetragenen Argumente gegen den Gleichlauf der beiden Zurechnungsvorschriften. (1) Das WpHG diene der Transparenz, das WpÜG hingegen einem geordneten Verfahren bei öffentlichen Erwerbsangeboten (S. 678). Gleichwohl muss er zugeben, dass auch das WpÜG gem. § 3 Abs. 2 dem Transparenzprinzip folgt. (2) § 30 WpÜG sei „vor allem in Bezug auf den Kontrollbegriff zu sehen“. Gleichwohl muss er zugeben, dass die Norm auch außerhalb des Kontrollzusammenhangs anwendbar ist (S. 678) und zwar gerade bei einer Norm, die ausschließlich Transparenzziele verfolgt, nämlich § 23 WpÜG.

(3) Anschließend verlässt Drinkuth die von ihm angegriffene Zurechnungsnorm des § 30 WpÜG und wendet sich den „weitergehenden Rechtsfolgen des WpÜG“, namentlich der Angebotspflicht bei Kontrollerlangung gem. § 35 Abs. 2 zu. Keineswegs habe die Kontrollerlangung nur eine Indizwirkung für die Angebotspflicht (S. 678). Diese Behauptung ist falsch, weil die Kontrolle im Gesetz in § 29 WpÜG formal definiert wird und in Anbetracht dieser formellen Definition das Gesetz in § 37 ein Befreiungsverfahren durch die BAFin vorsieht, um eventuelle Härten der formalen Begriffsbildung berücksichtigen und ausräumen zu können. Deshalb entscheidet letztlich die BAFin endgültig über die Angebotspflicht, nicht die formale Kontrollerlangung.

(4) Dass sich der Zweck des § 35 WpÜG nicht darin erschöpft, Transparenz herzustellen (Drinkuth, S. 678), ist natürlich richtig, etwas anderes hat aber auch niemand behauptet. Vielmehr habe ich in ZIP 2007, 2340, 241 lediglich darauf hingewiesen, dass die Angebotspflicht nicht Folge irgendeiner Zurechnung von Stimmrechten, sondern allein Folge der Kontrollerlangung ist. Drinkuth unterscheidet nicht zwischen § 30 WpÜG und § 35 WpÜG. § 30 WpÜG ist nur eine Hilfsnorm, die ihrerseits nicht allein vor dem Hintergrund der Angebotspflicht gesehen werden kann, sondern auch vor ihren anderen Konsequenzen, namentlich Veröffentlichungspflichten (§ 35 Abs. 1, § 23 WpÜG) gesehen werden muss und damit eben auch Transparenzziele verfolgt.

(5) Dass „das Pflichtangebot für den Bieter einen substanziellen Eingriff bedeute“ (Drinkuth, S. 678), habe ich entgegen Drinkuth nicht in Zweifel gezogen, sondern es an der von Drinkuth zitierten Stelle gerade unterstellt. Insgesamt leidet Drinkuths Darstellung der „Rechtsfolgen der Zurechnung“ (so die Abschnittsüberschrift) genau an den von mir in ZIP 2007, 2340f. kritisierten Fehlern, namentlich an der fehlenden Trennung der Rechtsfolgen des § 30 WpÜG (i.e. lediglich die Zurechnung) von den weiteren Konsequenzen der Zurechnung, von denen die Angebotspflicht lediglich eine einzelne ist (die freilich den Unternehmensjuristen am wenigsten passt, weshalb sie schon die vorgelagerte Zurechnung angreifen).

2. Was hat Drinkuth nun als eigene Argumente für die von ihm vertretene Ablehnung des Gleichlaufs der beiden Zurechnungsnormen (§ 22 WpHG, § 30 WpÜG) zu bieten? Wenig. Denn er setzt sich mit den Argumenten für einen Gleichlauf nicht wirklich auseinander. (1) Er zitiert zunächst die Gesetzesbegründung zum Risikobegrenzungsgesetz, nach der „Irritationen am Kapitalmarkt“ ausgeschlossen werden sollen, die bei unterschiedlicher Auslegung der beiden Normen entstünden. Das lässt er aber nicht gelten, da Mitteilungen über zugerechnete Anteile nur von Finanzintermediären gelesen würden, die sich nicht irritieren ließen. Drinkuth zufolge ist mangelnde Transparenz also nicht weiter schlimm, weil es ja stets Experten gibt, die mit den Fehlinformationen schon umzugehen wissen. Mich überzeugt das nicht.

(2) Ferner müsse der gleichlautende Wortlaut beider Vorschriften hinter der Teleologie zurücktreten. Dagegen ist einzuwenden, dass die Zwecke und Ziele der beiden Gesetze von Drinkuth schon mangelhaft ermittelt wurden (siehe oben) und es im Übrigen nicht auf die Zwecke und Ziele „des WpÜG“ gegenüber denen „des WpHG“ ankommt, sondern auf den Zweck der Zurechnungsnorm selbst. Im Übrigen ist auch die Transparenz ist nie reiner Selbstzweck, sondern bedeutet Erleichterung der Steuerung durch den Markt durch Verbesserung der Information der Akteure und Ausschaltung von marktverzerrenden Informationsasymmetrien. Daher trifft schon die Gegenüberstellung von bloßer Information durch das WpHG einerseits und Regelung durch das WpÜG andererseits nicht zu. Die Zurechnung innerhalb des WpÜG verfolgt ebenso Transparenzziele wie sie innerhalb des WpHG auch Regelungsziele verfolgt. Auch das WpHG rechnet nur im Hinblick auf den materiellen Einfluss auf die fragliche Gesellschaft zu, da nur die Stimmrechtsvermittlung erfasst ist. Wenn es dem WpHG ausschließlich um Transparenz der Beteiligungsverhältnisse ginge, müsste auch das Überschreiten reiner Kapitalschwellen meldepflichtig sein. Oder noch einfacher formuliert: Auch das WpHG interessiert nicht, wie reich jemand ist, sondern wie viel Macht er ausüben kann.

(3) Schließlich komme noch ein „EU-rechtlicher Einwand“ hinzu: Denn wenn es nur um die „Ermittlung tatsächlicher Stimmblöcke“ ginge, reichten Mitteilungspflichten völlig aus, ein Pflichtangebot sei übermäßig. Dieser Einwand ist unverständlich, denn die gesetzliche Angebotspflicht beruht doch gerade auf einer Einigung innerhalb der EU und auch die Übernahmerichtlinie sieht eine Zurechnung von Stimmrechten vor (Art. 5 Abs. 1). Der Einwand richtet sich nicht gegen die Zurechnung, sondern gegen die Rechtsfolge der Angebotspflicht bei Kontrollerlangung. Diese Frage aber war nach dem Titel des Beitrags doch gar nicht Gegenstand des Aufsatzes?!?

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