Managervergütung: Was sagen die anderen? (und ein Vorschlag von mir)
von Ulrich Wackerbarth
Die große Koalition hat mit dem VorstAG ihr wohl letztes Wort zur Vorstandsvergütung in dieser Legislaturperiode gesprochen. Die journalistische Kritik an dem Gesetz lautet in erster Linie: richtige Richtung, reicht aber nicht, siehe z.B. hier, teils wird auch Schlimmeres befürchtet, so etwa hier.Und was haben die übrigen politischen Schwergewichte im Köcher, um es besser zu machen?
Da sind zunächst die Grünen.
Die Grünen wollen variable Vergütungsbestandteile auf ein Viertel der Gesamtvergütung begrenzen und langfristig ausrichten. Was das genau bedeutet, sagen die Grünen aber nicht. Wie richtet man etwa eine Gewinntantieme „langfristig“ aus? Wenn der Manager 400.000 € fest verdient und ihm dazu noch 100.000 € als Gewinntantieme bezahlt werden, was ist daran langfristig? Darf er die Gewinntantieme dann eine Weile lang nicht ausgeben? Und was heißt 25%? Soll das ein Vergütungs-Cap sein, wenn der Manager so erfolgreich war, dass er mehr als 25% zu beanspruchen hätte? Das scheint mir auf den ersten Blick nicht sehr sinnvoll für die Motivation von Vorstandsmitgliedern zu sein.
Weiter „Für Vorstände soll dem Erfolgsbonus auch ein Malus bei Verlusten gegenüberstehen.“ Wie stellen sich die Grünen einen solchen Malus vor? Sinkt der Aktienkurs, muss der Vorstand einen Teil seiner Vergütung zurückzahlen? Dann werden sich in Krisenzeiten (so wie etwa zur Zeit) nicht mehr viele Personen als Vorstand einer Aktiengesellschaft verpflichten lassen.
Aktienoptionen sollen langfristig, d.h. erst nach zehn Jahren ausgeübt werden dürfen. Das erhöhe auch den Anreiz, länger im Unternehmen zu bleiben. Ihr Bezugswert dürfe nicht unter dem Aktienkurs zum Zeitpunkt der Ausgabe der Aktienoptionen liegen. Auch der hier gemachte Vorschlag richtet sie vor allem gegen Aktienoptionspläne (siehe unten). Aber einen Anreiz für schlechte Manager, möglichst 10 Jahre im Unternehmen zu verbleiben, möchte ich lieber nicht.
Das folgende hat nur begrenzt etwas mit Managervergütung zu tun:
„Zukünftig sollen Manager den geschädigten Anlegern für Falschinformationen mit ihrem Privatvermögen haften. Dafür sollen die Managerhaftpflichtversicherungen zwingend mit einer angemessenen Selbstbeteiligung des Managers am Schadenersatz verbunden werden und es muss gesichert sein, dass die Versicherungsbeiträge aus dem Gehalt des Managers geleistet werden.“
Großartig: Es wird dann also „gesichert“, dass der Manager z.B. 10.000 € jährlich als Versicherungsbeitrag „aus der eigenen Tasche bezahlt“ : Und wer sorgt dafür, dass der Aufsichtsrat dem Manager diese 10.000 € nicht vorher im Wege einer Gehaltserhöhung in die Tasche gesteckt hat? Wirklich, ein sehr effizienter Vorschlag, der die logischen Fähigkeiten politischer Parteien in aller Schärfe dokumentiert.
Und was will die FDP?
Die FDP will das Problem ganz grundlegend angehen:
„Die Spielregeln zwischen Aufsichtsrat, Vorstand und Hauptversammlung müssen neu ausgerichtet werden. Nur so besteht die Chance, dass Auswüchse bei der Managervergütung systematisch ausgeschlossen werden. …
Die FDP-Bundestagsfraktion will eine Verkleinerung und Professionalisierung der Aufsichtsräte. Dazu muss das Gewerkschaftsprivileg abgeschafft werden, das betriebsfremden Funktionären mindestens zwei Aufsichtsratsmandate sichert. Die FDP-Fraktion will, dass die Eigentümer in der Hauptversammlung über die Vergütung der Vorstände entscheiden.“
Tja wenn es denn so einfach wäre. Der Aufsichtsrat kann so klein sein, wie er will. Wenn es sich wirklich um eine Publikumsgesellschaft im Streubesitz handelt, dann hat der Aufsichtsrat nicht viel zu sagen, weil er de facto vom Vorstand ausgesucht wird (die weit verstreuten Anteilseigner haben für eine echte Auswahl weder ausreichende Möglichkeit noch Motivation) und weil der Aufsichtsrat diejenigen nicht effizient kontrolliert, denen er sein Amt verdankt. Daran ändert kaum eine Zuständigkeit der Hauptversammlung etwas. Außerdem: Warum verlangt die FDP so nachdrücklich die Verkleinerung der Aufsichtsräte, wenn sie die Macht über die Vorstandsvergütung doch in die Hände der Hauptversammlung legen will? Auch hier sehe ich ein gewisses Logik-Problem.
Es scheint mir, als wolle die FDP hier nur mit dem Finger auf andere (Gewerkschaften) zeigen, weil sie selbst keine gute Idee hat. Ach ja, und durch Einsetzung einer „Arbeitsgruppe“, dazu hier, soll das Problem wohl nicht nur grundlegend, sondern vor allem auch erst in unbestimmter Zukunft angegangen werden. Als ob es erst seit dem 4.März 2009 auf der Tagesordnung steht.
Schauen wir mal auf das, was die Gewerkschaften (nicht) wollen:
Da habe ich zwei Pressemitteilungen vom 4. und 5. März gefunden. Zunächst diese hier, in der es um das geht, was die Gewerkschaften wollen.
„Zwar gehen die vereinbarten Punkte in die richtige Richtung, besonders die Verpflichtung, die Vergütungen an die langfristige Entwicklung der Unternehmen zu binden“ sagte DGB-Vorstandsmitglied Dietmar Hexel am Donnerstag (5. März 2009) in Berlin. „Doch der wichtigste Punkt wurde offenbar durch die CDU verhindert: eine klare gesetzliche Festlegung im § 76 Aktiengesetz zu schaffen, nach der Unternehmen auch im Interesse des Gemeinwohls und der Arbeitnehmer zu führen sind.“
Ich rätsele noch, welchen Beitrag diese Änderung des § 76 AktG zur Vergütung von Managern leisten soll. Währenddessen schaue ich mir an, was die Gewerkschaften nicht wollen:
„Kritisch äußerte sich Hexel auch zum jüngsten Vorschlag der Union, die Vorstandsvergütung in der Hauptversammlung zu beschließen. „Hauptversammlungen werden oft von Finanzinvestoren dominiert, die Manager dazu treiben, kurzfristige Profite zu realisieren. Entscheidungen auf die Hauptversammlung zu verlagern, macht den Bock zum Gärtner.““
Danach sollen also diejenigen, die in das Unternehmen investiert haben (Anteilseigner), künftig nicht darüber entscheiden, wieviel diejenigen verdienen sollen, die für die Anteilseigner das Unternehmen managen (Vorstand). Dann wüsste ich mal gerne, wer denn das Gehalt des Aufsichtsrats festlegen soll? Das kann dann doch wohl konsequenterweise ebenfalls nicht die Hauptversammlung sein, oder? Ich hätte da eine tolle Idee: Aufsichtsräte von großen Unternehmen sind mindestens genauso wichtig wie deutsche Parlamente. Am besten wäre es daher, wenn der Aufsichtsrat sein eigenes Gehalt – ähnlich wie die Bundestagsabgeordneten die Diäten – selbst festlegen kann, insbesondere in mitbestimmten Unternehmen (!). Dass namentlich wegen solcher Vorschläge dann aber niemand mehr Aktien kauft (sog. „Aktienverdrossenheit“), ist leider der Perdefuß. Das braucht aber den DGB nicht zu kümmern. Denn wenn keiner Aktien kauft, dann springt bestimmt der Staat ein.
Wen es übrigens interessiert, welche Rolle die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat (z.T. Gewerkschaftsvertreter) in der Vergütungsfrage spielen, dem empfehle einerseits den Praxisbericht von Martin Peltzer, FS K. Schmidt, 2009, S. 1243ff., namentlich zum Zusammenwirken der Arbeitnehmerbank mit dem Vorstand auf S. 1248ff., 1253f. (Peltzer weist übrigens keineswegs der Arbeitnehmerbank die alleinige oder auch nur überwiegende Schuld zu), andererseits die Arbeitshilfen für Aufsichtsräte der Böckler-Stiftung, übrigens deutlich ausgewogener als die DGB-Stellungnahmen (für leistungsgerechte Bezahlung und tendenzielle gegen Aktien-Optionen etwa auf S. 24).
Ach ja, der DGB fordert übrigens auch die „Abschaffung der Gier“. Das verlange ich ebenfalls, und zwar nachdrücklich, leider bislang erfolglos. Aber wie in einem anderen Beitrag hier bereits festgestellt: Gestohlen wird heutzutage nicht mehr, weil Diebstahl ja im Strafgesetzbuch verboten wurde.
Nun zur „Linken“
„1. Der vorhandene Einflussspielraum bei Unternehmen, an deren Kapital der Bund unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, ist dahingehend auszuschöpfen, dass die Gesamtbezüge der einzelnen Vorstandsmitglieder nicht mehr als das Zwanzigfache eines sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der untersten Lohn- und Gehaltsgruppe betragen
2. Der Betriebsausgabenabzug von Abfindungen wird auf eine Million pro Person beschränkt. Empfangende Steuerpflichtige haben diese wie bisher zu versteuern.
3. Die so genannte Reichensteuer (aktuell geltende obere Proportionalstufe ab einem zu versteuernden
Einkommen von 250 001 €/500 001 €) wird erhöht. Zukünftig beträgt der Steuersatz für zu versteuernde Einkommen ab 250 000 €50 Prozent, ab 500 000 €55 Prozent, ab 1 Million €60 Prozent und ab 2 Millionen €65 Prozent.“
Großartig und – wie die Fraktion der Linken zu Begründung sagt – geboten in erster Linie durch das „Gerechtigkeitsempfinden zahlreicher Bürgerinnen“, mit anderen Worten durch Neid. Dass man Gehälter nicht der Höhe nach begrenzen kann, weil es letztlich keine absoluten Maßstäbe für die Angemessenheit gibt, hat sich offenbar noch nicht bis zur „Linken“ herumgesprochen.
Wenn 20fach o.k. ist, warum dann nicht auch 21fach usw.? Wieso soll ein für 20.000 Mitarbeiter verantwortlicher Vorstand gezwungen werden, keine Hilfsarbeiter mehr einzustellen, bzw. gerade die Schwächsten, nämlich die in der untersten Lohngruppe Beschäftigten, zu kündigen, weil sonst sein eigenes Gehalt sinken könnte?
Dieser Vorschlag triebe wahrlich Unternehmen in den Ruin. Gerade die Unternehmen, die besonders viele einkommensschwache Mitarbeiter beschäftigen (z.B. in der Industrie) und einen fähigen Vorstand benötigen, würden diesen nicht mehr bekommen. Denn der geht lieber dahin, wo er mehr verdienen kann (Banken?). Mit anderen Worten: Durch diesen Vorschlag würde die Arbeitslosigkeit in Deutschland einen ganz erheblichen Schub bekommen und es würden vor allem solche Menschen arbeitslos, für deren Interesse die Linke doch gerade sich einzusetzen versprochen hat, nämlich die in den schwachen Einkommensgruppen. Aber der nächste Vorschlag der Linken liegt wahrscheinlich schon in der Schublade: Künftig dürfen die fähigsten Manager nur noch in Unternehmen angestellt werden, wo das Niveau der „untersten Lohn- und Gehaltsgruppe“ besonders niedrig ist. Tja, aber auch dieser hypothetische Vorschlag hat seine Tücken: Wie findet man heraus, wer der fähigste Manager ist? (Fortsetzung durch unsinnige Vorschläge nicht ausgeschlossen).
Eigener Vorschlag
Wer alles kritisiert, muss selbst einen besseren Vorschlag haben. Nun also: Die Interessen des Vorstands sollten möglichst identisch mit den Interessen derjenigen sein, die durch ihre Investition das Unternehmen erst ermöglichen, d.h. möglichst nahe bei den Aktionären. In eine Linie mit den Interessen der Aktionäre bringt man den Vorstand aber nur dann, wenn er selbst zum Anteilseigner wird. Dafür kommt es nicht darauf an, dass er besonders viele Aktien des Unternehmens hält, sondern dass ein erheblicher Teil seines Einkommens und Vermögens aus Aktien an dem Unternehmen besteht, das er managt. Deshalb sollte er, je länger er im Unternehmen ist, umso mehr auch Aktionär dieses Unternehmens sein.
Mein rechtspolitischer Vorschlag lautet deshalb. Bis auf weiteres erst einmal (1) weg mit den bisherigen Aktienoptionsplänen und dafür (2) einen Mindestanteil der Vorstandsvergütung in Form einfacher Aktien. Also: zwingender Aktienplan statt optionaler Optionsplan. Die zwei Elemente des Vorschlags lassen sich wie folgt begründen:
(1) Aktienoptionspläne geben dem Vorstandsmitglied das Recht, innerhalb eines bestimmten Zeitraums Aktien des Unternehmens zu einem bestimmten Kurs (Bezugspreis) zu kaufen. Der Anreiz für den Ausübungsberechtigten liegt darin, dass der Börsenkurs im Zeitpunkt der Ausübung der Option (Ausübungskurs) über dem Bezugspreis liegen kann. Tritt der Fall ein, wird das Vorstandsmitglied die Option ausüben und die der Option entsprechende Anzahl Aktien erwerben. Andernfalls lässt er die Option verfallen. Sein wirtschaftlicher Vorteil liegt demnach in der positiven Differenz von Ausübungskurs und Bezugspreis.
Das Problem: Aktienoptionen sind letztlich nicht bewertbar (siehe dazu etwa Thüsing in Fleischer, Vorstandsrecht, 2006, § 6 Rn. 75ff.) und ob sie richtige oder falsche Leistungsanreize setzen, hängt von so vielen Faktoren ab, dass der Aufsichtsrat bei seiner Entscheidung über diese Faktoren das Richtige oder eben auch das Falsche treffen kann. (dazu sehr ausführlich Thüsing, ZGR 2003, S. 492-500). Die Aufsichtsräte in den echten Publikumsgesellschaften haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass sie mit diesem Instrument, dass bei richtiger Ausgestaltung durchaus ideale Leistungsanreize für das Management geben könnte, nicht richtig umgehen können. Deshalb muss man Ihnen dieses Instrument zunächst einmal wegnehmen.
Auch aus Vorstandssicht ist das geboten. Denn mit Optionsplänen gibt man dem Vorstand eine Option – und genau das ist der Fehler. Damit liegt es am einzelnen Vorstandsmitglied selbst, ob er künftig wie ein Anteilseigner denken wird oder lieber nicht. Erst wenn er einen substantiellen Anteil seines Einkommens zwingend in der Gesellschaft investiert hat, für die er tätig ist, steckt er auch mit Haut und Haar in diesem Unternehmen. Und dies gilt es zu fördern, mit Aktienoptionsplänen fördert man es nicht.
(2) Die vom Aufsichtsrat festzulegende Vergütung des Managers hat zu mindestens 1/3 der jährlichen Gesamtbezüge aus einfachen Aktien zu bestehen (jährliche oder monatliche Auszahlung, Bewertung nach Kurswert im Zeitpunkt der Auszahlung). Einen höheren Anteil, auch die Vergütung ausschließlich in Aktien kann der Aufsichtsrat nach seinem Ermessen festsetzen, nicht aber einen Optionsplan. Die Aktien darf der Vorstand während seiner Amtszeit nicht verkaufen, Put-Optionen über die Aktien darf er nur erwerben, soweit er aus eigenem Vermögen darüber hinaus Aktien des Unternehmens gekauft hat. Nach dem Ende seiner Amtszeit darf er die Aktien für weitere zwei Jahre nicht verkaufen, soweit er nicht aus dringendem Grund durch den Aufsichtsrat abberufen wurde. Das verhindert, dass der Vorstand zum absehbaren Ende seiner Amtszeit irgendwelche Maßnahmen zur kurzfristigen Steigerung des Aktienkurses der Gesellschaft einleitet.
Diese Regeln brächten die Interessen des Vorstands auf längere Sicht auf eine Linie mit den Interessen der Aktionäre. Es förderte langfristig denkende Manager, die einen Blick für die Sicherheit der Anleger und damit indirekt auch für die Arbeitnehmer und das Allgemeinwohl haben. Wer zwingend ein Drittel seines Einkommens in die Gesellschaft investiert, für die er tätig ist, wird sich wie ein vernünftiger Unternehmer verhalten: Er wird Risiken dann eingehen, wenn es angebracht ist, nicht aber übermäßige Risiken. Er wird dafür sorgen, dass der Aktienkurs nicht nur kurzfristig gesteigert wird, weil er damit ein Drittel seines Einkommens bzw. einen substantiellen Anteil seines Vermögens aufs Spiel setzt. Da der Vorstand als Aktionär auch an Kursverlusten der Gesellschaft beteilgt wird, ist eine Malus-Regelung gleich mit eingebaut. Diese mag nicht perfekt sein. Aber sie erinnert den Vorstand ständig daran, für wen er das Unternehmen zu managen hat.
Und das Schöne an diesem Vorschlag: Er enthält keine – nicht festlegbare – Obergrenze für die Vergütung, sondern bringt nur die Interessen des Treuhänders (Vorstands) mit den Interessen der Treugeber (Aktionäre) in Übereinstimmung.
Am 14. März 2009 um 20:30 Uhr
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