Anlegerschutzprotokoll – jetzt wird der Spieß umgedreht

von Ulrich Wackerbarth

Wer als Privatkunde in Zukunft Anlageberatung durch seine Bank in Anspruch nimmt, dem wird der Gesetzgeber mit Wirkung ab 1.1.2010 im Wege einer Änderung des § 34 WpHG durch ein sog. Beratungsprotokoll helfen, bei fehlerhafter Anlageberatung Schadensersatzansprüche geltend machen zu können.

1. Das Beratungsprotokoll wird nämlich nicht mehr wie bislang weitgehend aussagelos sein können, sondern es muss nach den Beschlüssen des Rechtsausschusses (S. 33) Aussagen enthalten über

– den Anlass der Anlageberatung
– die Dauer des Beratungsgesprächs
– die der Beratung zugrundeliegenden Informationen über die
persönliche Situation des Kunden
– sowie über die Finanzinstrumente und Wertpapierdienstleistungen,
die Gegenstand der Beratung sind
– die vom Kunden geäußerten wesentlichen Anliegen und deren
Gewichtung
– die Empfehlungen
– und die für die Empfehlungen genannten wesentlichen Gründe

Das schließt aussagelose Protokolle hoffentlich aus, wenngleich Informationen über die Provision des Beraters und versteckte Rückvergütungen (Kick-Backs) im Gesetz nicht angesprochen werden (kritisch dazu die bayerische Staatsministerin Merk). Aber Protokoll ist Protokoll: Sind in anderen Gesetzen oder durch Richterrecht bestimmte Informationen vorgeschrieben und tauchen diese im Beratungsprotokoll nicht auf, so hat eine Information darüber im Zweifel auch nicht stattgefunden. Endlich wird der Anleger etwas in der Hand halten, das seine prozessuale Situation in Schadensersatzklagen wegen fehlerhafter Anlageberatung entscheidend verbessert. Dass er selbst es nicht unterschrieben hat, wie Merk kritisiert, sehe ich nicht so sehr als Problem: Der Anleger – und nicht die Bank – will sich doch auf das Protokoll berufen. Und dafür reicht die Unterschrift des Beraters doch wohl aus?! (man belehre mich gerne prozessual eines Schlechteren). Das Gesetz deshalb im Bundesrat stoppen zu wollen, dürfte wohl eine Überreaktion sein.

2. Die Wirtschaft beklagt sich bereits über eine sehr interessante Neuerung, die erst in letzter Minute durch den Rechtsausschuss in das Gesetz gekommen ist (vgl. hier, S. 27), nämlich das einwöchige Rücktrittsrecht des Kunden bei fernmündlicher Anlageberatung. Das Gesetz spricht hier von der Verwendung von Kommunikationsmitteln, die die Übermittlung des Protokolls vor Geschäftsabschluss nicht gestatten. Erfolgt in solchen Fällen- auf ausdrücklichen Wunsch des Kunden – vor Zusendung des Protokolls der Geschäftsabschluss, so hat der Kunde nach Zusendung eine Woche Zeit zur Reue. (§ 34 Abs. 2 a S. 3 – 5 WpHG-E): Das soll aber nur dann gelten, wenn das zugesendete Beratungsprotokoll

– nicht richtig
– oder nicht vollständig ist

Das besondere Schmankerl: Wenn der Kunde sagt, das Protokoll sei falsch, soll die Bank beweisen, dass das nicht stimmt.

Da wollte der Rechtsausschuss offenbar den Spieß einmal umdrehen (siehe zur sonst für den Anleger düsteren Beweislage hier). Das wirft aber nun umgekehrt die Frage auf: Wie soll die Bank, die ja nicht ohne Zustimmung des Kunden einfach das Telefonat aufzeichnen kann, beweisen, dass der Kunde lügt?

Vielleicht wäre es einfacher gewesen, das Rücktrittsrecht unabhängig von der Richtigkeit des Protokolls vorzusehen. Dazu sah sich der Rechtsausschuss aber nicht in der Lage, weil das einem Widerruf bei Fernabsatz von Finanzdienstleistungen gleichkäme, der gem Art. 6 Abs. 2 lit. a) RL 2002/65/EG (Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen) ausgeschlossen ist. Ob die Beweislastlösung hält, wird man allerdings noch sehen müssen. Denn wenn es sich tatsächlich um eine probatio diabolica handelt, kommt die Regelung doch einem Widerruf gleich. Prozessual könnte es aber auch darauf hinauslaufen, den Anlageberater als Zeugen der Bank einfach aussagen zu lassen, das Gespräch habe genauso wie im Protokoll stattgefunden. Der Anleger selbst ist dagegen Partei und kein Zeuge. Es ist also fraglich, ob es tatsächlich zu einer für ihn günstigen non-liquet Entscheidung kommen wird. Das Gericht könnte zwar den Anleger von Amts wegen als Partei vernehmen (§ 448 ZPO), dann stünde wieder Aussage gegen Aussage. Kommt es  im Ergebnis zu einem einwöchigen Rücktrittsrecht, das nur von Anlegerbehauptungen abhängt, dürfte telefonischen Geschäftsabschlüssen nach Beratung das wirtschaftliche „Aus“ drohen.

3. Sei das wie es will: Jetzt muss man den eine Anlageberatung in Anspruch nehmenden Kunden noch einimpfen, dass sie sich nicht von mündlichen Anpreisungen des Anlageberaters zu irgendetwas verleiten lassen dürfen. Gesagt ist nur, was im Protokoll steht. Am besten also eine Nacht drüber schlafen und sich das Protokoll dann noch einmal durchlesen:

– Wird das Gespräch insgesamt richtig wiedergegeben?
– Steht wirklich alles drin, was der Berater gesagt hat?
– Steht etwas drin, was im Gespräch nur am Rande erwähnt wurde? Häufig liegt gerade hier der Hase im Pfeffer.

In beiden Fällen sollte man noch einmal nachfragen, bevor man das Geschäft abschließt.

Die von einigen geforderte noch weitergehende Reform der Anlageberatung (u.a. Abschaffung der Provisionszahlungen, Mindestqualifikation für Anlageberater nach dem Vorbild Großbritanniens, siehe auch hier) wird es in dieser Legislaturperiode jedenfalls nicht mehr geben.

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