Drei Fragen zur Berufungsentscheidung in Sachen Postbankübernahme
von Ulrich Wackerbarth
Liebe Richter vom 13. Senat des Oberlandesgerichts Köln, ich hätte da ein paar Fragen.
1. Sie schreiben in Ihrem soeben veröffentlichten Urteil zur Postbankübernahme (Urteil vom 31.10.2012, 13 U 166/11), Rz. 71:
„Bereits der Begriff der „Vereinbarung“ für sich genommen ist im Sinne eines – punktuellen – Abschlusses zu verstehen und nicht eines bestehenden Verpflichtungszustands.“
Punkt. Aus. Ende. Da drängt sich mir doch folgende Nachfrage auf: Woher nehmen Sie diese Einsicht?
In den mir zur Verfügung stehenden Wörterbüchern wird der Begriff gleichgesetzt mit Abmachung, Einvernehmen und Übereinkunft oder auch mit Vertrag, nicht aber findet sich dort der auf etwas Punktuelles weisende Begriff des Vertragsabschlusses. Und in dem auch Ihnen zur Verfügung stehenden Rechtsgutachten heißt es:
„Es wird in § 31 Abs. 6 WpÜG nicht von Vertragsabschluss, sondern von Vereinbarung gesprochen. Vereinbarung kann nun aber nach allgemeinem Sprachverständnis sowohl das reine Zustandekommen eines Vertrags und damit einen Zeitpunkt meinen, aber auch das Bestehen eines vertraglichen Schuldverhältnisses und damit einen Zeitraum.“
Wer hat nun Recht? Der, der den Begriff Vereinbarung für uneindeutig hält, was die Zeit angeht, oder der, dessen Sprachverständnis keinen Raum für Zweifel lässt? Und wenn Sie meinen, Ihr Sprachverständnis sei das allein Seligmachende, warum können Sie dann die angebliche sprachliche Eindeutigkeit des Begriffs Vereinbarung im Urteil nicht begründen? Oder ist Ihre Behauptung im Urteil etwa lediglich als „Sprachgefühlsausdruck“ zu sehen, der nicht zwischen einer Vereinbarung und dem Abschluss dieser Vereinbarung unterscheiden kann?
2. Wenn in einer Gesetzesbegründung zum Verständnis einer solchen Vereinbarung der von Ihnen in Rn. 72 richtig zitierte Satz steht,
„auch“ der Abschluss entsprechender Verträge löse Rechtsfolgen aus, (BT Drucks. 14/7034, S. 57)
und Sie von einem Rechtsgutachten darauf hingewiesen werden, dass dort eben das Wörtchen „auch“ und mitnichten „nur“ steht, ergo dieser Satz auch (!) so verstanden werden kann, dass er eine illustrative Beschreibung eines Anwendungsfalls der fraglichen Norm ist (und es dementsprechend nicht ausgeschlossen ist, auch andere Fälle als den „Abschluss entsprechender Verträge“ unter die Norm zu subsumieren), können Sie dann wirklich ernsthaft in einem Urteil, in dem es nicht gerade nur (und hier ist das Wörtchen in der Tat angebracht) um ein paar Euro geht, behaupten, dass in besagtem Satz der Gesetzesbegründung etwas „ausdrücklich erklärt“ werde, das jenes mögliche Verständnis eben doch eindeutig ausschließe?
3. Sie schreiben weiter (unter Bezugnahme darauf, dass der deutsche Gesetzgeber den nach der Übernahmerichtlinie kürzestmöglichen Bindungszeitraum gewählt habe) in Rn. 73:
„Damit widerspräche es dem Willen des Gesetzgebers, die – grundsätzlich eingreifende – Bindung eines Bieters an seine Festlegung auf einen bestimmten Wert gegenüber einem Dritten über einen Zeitraum von sechs Monaten hinaus auszudehnen.“
Darf ich diese Äußerung so verstehen, dass künftig Bieter nach dem Abschluss eines Vertrags über den Erwerb eines Aktienpakets (in der diese sich ja, wie Sie so schön bemerken, auf einen bestimmten Wert gegenüber Dritten festlegen) nur noch sechs Monate warten müssen, bis sie die Aktien dinglich erwerben, um von jeder Preiswirkung des Vorerwerbs gem. § 4 Abs. 1 AngVO frei zu sein, auch und gerade für etwaige nachfolgende Pflichtangebote? Sollten Sie dies so meinen, dann kann ich Sie nur beglückwünschen: Ein Federstrich des 13. Senats – und ganze Bibliotheken werden zur Makulatur.
4. Gestatten Sie mir noch ein paar Worte der Anerkennung: Immerhin nehmen Sie sich drei Randziffern, um sich mit den in der Sache vorgetragenen Argumenten zu befassen. Mehr kann man in einer Angelegenheit, in der es lediglich um 1,2 Mrd. Euro geht, von einem Senat eines Oberlandesgerichts nun wirklich nicht erwarten. Sicher warten wichtigere Fälle auf Sie. Da schadet es auch nicht, wenn Ihre Anmerkungen in erster Linie semantische Fragen betreffen (statt Sachfragen) und selbst insoweit noch „grottenfalsch“ sind. Vielmehr muss man seiner Bewunderung darüber Ausdruck verleihen, wie Sie es schaffen, in nur drei Absätzen das 13 Seiten umfassende „Geschwafel“ eines Rechtsgutachtens punktgenau und treffsicher zu „widerlegen“.
Geradezu grotesk wäre es, Ihnen eine Auseinandersetzung damit zuzumuten, was in Gesetzen (oder Gesetzesbegründungen) steht, welchen Argumentationshaushalt es zu einem Rechtsproblem gibt oder was so im Schrifttum zu dem Problem gesagt und gedacht wird. Nein, Sie entscheiden lieber argumentationsfrei nach Gutdünken, Bauchgefühl oder besser noch Volksempfinden (oder was Sie dafür halten). Sind wir wieder so weit? Oder sind Sie mit einem ökonomisch bedeutsamen und rechtlich komplexen Fall einfach nur hoffnungslos überfordert? Ich suche es mir aus.
Ihr Ulrich Wackerbarth
Am 28. Februar 2013 um 18:10 Uhr
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