Takeover-Wars, Episode IV – A New Hope oder: Hier bekleckert sich die BAFin nicht mit Ruhm
von Ulrich Wackerbarth
Luke Skywalker wäre entsetzt: Da hatte doch die Republik, bedroht von den Machenschaften der Handelsföderation, den neu gegründeten Bladerunner-Ausschuß für Finanzverbrecher (BAFin) gebeten, Luke in seinem Kampf für ein faires Übernahmerecht zu unterstützen und die Replikanten unter den Bietern gnadenlos aufzuspüren und zu bestrafen. Doch einer der Bladerunner, die doch eigentlich im Interesse eines funktionierenden Kapitalmarktes Umgehungen des WpÜG verhindern sollen, scheint gerade auf dem Weg zur dunklen Seite der Macht zu sein.
1. A New Hope
Was ist geschehen? Bekanntlich verlangt das WpÜG vom Bieter, den Aktionären der Zielgesellschaft u.a. mindestens den höchsten Preis für ihre Aktien zu zahlen, den er selbst in bestimmten zeitlichen Grenzen vor und nach dem Übernahmeangebot anderen für den Erwerb der Aktien gezahlt hat. Und in der Umgehungsschutzvorschrift des § 31 Abs. 6 stellt das WpÜG dem dinglichen Erwerben solche schuldrechtliche Vereinbarungen gleich, aufgrund derer die Übereignung von Wertpapieren nur verlangt werden kann. Der BGH hat sich in seiner hier kritisierten Entscheidung als „dunkle Bedrohung“ des WpÜG erwiesen und diese Grundregel des WpÜG praktisch beseitigt. Dem wirft sich in einer aktuellen Entscheidung das OLG Frankfurt nach Jedi-Art entgegen und hat in seinem Beschluss begründet, warum das Wort Vereinbarung in § 31 Abs. 6 WpÜG entgegen der Vorinstanz weit zu verstehen ist. Darunter sollen unter bestimmten Bedingungen auch Vereinbarungen über den Erwerb von Wandelanleihen fallen, wenn sie letztlich zu einem Aktienerwerb durch den Bieter führen.
Diese Entscheidung wird zwar wahrscheinlich vom II. Senat (anhängig unter II ZR 37/16) wieder aufgehoben, dem der Schutz der Aktionäre der Zielgesellschaft nicht am Herzen liegt, doch immerhin begründet die Entscheidung die Hoffnung, dass irgendwann einmal eine Umkehr in der kapitalmarktfeindlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung stattfinden könnte.
2. Von Wortlaut, Zeiten und Äonen
In seiner Anmerkung zur Entscheidung des OLG Frankfurt (jurisPR-HaGesR 3/2016 Anm. 1) schreibt nun Oberregierungsrat Michael Hippeli, Mitarbeiter der BAFin, entgegen dem OLG habe das LG Frankfurt als Vorinstanz mit seinem engen Verständnis des § 31 Abs. 6 WpÜG Recht. Die Norm meine nur Verträge, die einer Seite einen unmittelbaren Übereignungsanspruch verschaffen. Was er zur Begründung schreibt, erinnert mich sehr an die Märchen von George Lucas: Es sei nämlich nicht zufällig das WpÜG im gleichen Jahr wie die Schuldrechtsreform in Kraft getreten. Auch wenn der Wortlaut von § 433 BGB und § 31 Abs. 6 WpÜG voneinander abwichen, müsse man wegen der Zeitidentität ihres Inkrafttretens gleichwohl den Text des § 31 Abs. 6 WpÜG genauso verstehen wie den des § 433 Abs. 1 BGB. Wörtlich:
„Zwar ist der Wortlaut „durch den Kaufvertrag“ nicht völlig identisch mit „Vereinbarung, aufgrund derer“, allerdings spricht schon die zeitliche Nähe der Schaffung des WpÜG und der zur Umgestaltung auch des § 433 BGB führenden Schuldrechtsmodernisierung dafür, dass eine gewisse Bezugnahme aufeinander nicht von der Hand zu weisen sein dürfte.“
Hallo? Habe ich mich verlesen? Was an dem Wortlaut der beiden Normen ist, wenn schon nicht völlig, so doch offenbar mindestens annähernd identisch? Richtig: Nichts. Überhaupt nichts. Die beiden Gesetze stimmen in keinem Wort (nicht in einem einzigen!) überein. Und: zwar hat die Schuldrechtsreform alles Mögliche geändert, doch gerade nicht geändert hat sie eben den Wortlaut des Satzes im BGB, auf den Hippeli sich bezieht. Er ist seit über 100 Jahren identisch. Nur wenn man in größeren Zeiträumen, also etwa in Jahrtausenden oder Jahrmillionen denkt, kann man hier eine zeitliche Nähe konstruieren. Man möchte die Hände über dem Kopf zusammenschlagen: Wenn das die Argumente sind, die künftig von den Wächtern über unseren Kapitalmarkt zu hören sind, dann kann man nur noch auf den „Return of the Jedi“ hoffen.
3. Hä, hä, ätschibätsch!
Zum Schluss legt Hippeli noch dar, welche praktischen Grenzen die Entscheidung des OLG Frankfurt hat. Zum einen kann der Bieter natürlich die vom BGH zu Unrecht eröffnete Möglichkeit der zeitlichen Streckung von Wandelanleihekauf und Wandlung nutzen und so die Preisrelevanz der Vereinbarung verhindern. Zum anderen weist Hippeli darauf hin, dass die Entscheidung des OLG nicht inter omnes wirke und schon gar nicht für die Aktionäre, die das Angebot nicht angenommen haben. Wer also profitieren wolle, müsse das falsch bepreiste Angebot annehmen, was riskant sei, da „regelmäßig nicht bekannt sein dürfte, was die Bieterin für gekaufte Wandelanleihen bezahlt hat“.
Man möchte diese Ausführungen am liebsten noch um ein „hä, hä“ ergänzen. Kein Wort dazu, dass die BAFin die Offenlegung des Wandelanleihekaufs verlangen kann. Keine Überlegungen dazu, ob hier vielleicht eine analoge Anwendung des Andienungsrechts nach § 39c WpÜG oder eine Wiedereröffnung der Annahmefrist durch die BAFin oder eine Haftung des Bieters nach § 826 BGB in Betracht kommt. Mir scheint, hier sei insgesamt eine recht einseitige Anmerkung durch einen Mitarbeiter der BAFin geschrieben worden, die, persönliche Meinungsäußerung hin oder her, nicht gerade auf Neutralität der BAFin in Übernahmeangelegenheiten schließen lässt.