Dackel vor dem EuGH?

von Ulrich Wackerbarth

Kurzer Beitrag von Keilmann in der NJW 2006, 2526f. zum Dackelurteil des BGH:

1. Recht hat Keilmann, der BGH soll auch weiter mit Grundsatzurteilen Fragen zum neuen Schuldrecht klären. Und auch das Dackelurteil eignet sich dazu. Zustimmen mag ich Ihr auch, wenn sie sich über darüber freut, dass der BGH aus der Verschuldensvermutung des § 280 I 2 keine Garantiehaftung des Verkäufers machen will. Man darf auch keine übertriebene Untersuchungspflichten an Verkäufer stellen.

2. Nicht folgen kann ich ihr aber dann, wenn sie auf S. 2527 li. Sp. unten meint, bei der Anwendung des § 311a auf eine von Anfang an unmögliche Mangelbeseitigung (der Fehler des Dackel: O-Beine war genetisch bedingt und nach Auffassung des BGH nicht mehr zu korrigieren, dazu unten 3.) hätte es nahegelegen, nicht auf das Kennenmüssen des Mangels als Bezugspunkt eines möglichen Verschuldens des Verkäufers abzustellen. Aber genau das sieht § 311 a BGB doch vor: bei anfänglicher Unmöglichkeit kommt es auf das Kennenmüssen des Schuldners an. Die Zweifel der Verf. rühren wohl daher, dass der BGH anschließend für die zweite Modalität der Nacherfüllung, nämlich die Nachlieferung, auf das Verschulden des Verkäufers der Unmöglichkeit der Nachlieferung abstellt. Diese zweite Modalität war aber zunächst eben nicht unmöglich, sondern wurde es erst später (durch emotionale Bindung des Käufers an den gekauften Dackel, ein wohl eher zweifelhafter Unmöglichkeitsfall, den der Verkäufer aber nicht zu vertreten hatte). Bei von Anfang an unbehebbaren Mängeln ist es aber stets so, dass sie von Anfang an nicht behoben werden können: Die fehlende Kenntnis des Verkäufers bei Vertragsschluss entlastet ihn insofern von jedem Schadensersatz für die – eben nicht mögliche – Mangelbeseitigung, was konsequent ist.

Die Entscheidung schlägt mit den getroffenen Unterscheidungen übrigens auch eine Bresche für den Käufer in Fällen, in denen der Verkäufer nachweislich nichts von einembereits anfänglich unbehebbaren Mangel wusste und nicht wissen konnte. Bei oberflächlicher Lektüre des § 437 Nr. 3 könnte man nämlich denken, dass solche Verkäufer wegen § 311 a II in jedem Fall überhaupt keinen Schadensersatz leisten müssten. Das aber trifft eben nicht zu: Sie können und müssen zwar den Mangel nicht beseitigen, wohl aber nachliefern (§ 437 Nr. 1, § 439). Verschuldet ein solcher Verkäufer später die Unmöglichkeit der Nachlieferung, so ist es konsequent, ihn dafür Schadensersatz wegen Nichterfüllung leisten zu lassen. Das meint wohl auch der BGH.

3. Wozu Keilmann übrigens leider nicht Stellung nimmt, ist die Passage III. 2. b) des Urteils. Diese verdient Kritik. Der BGH gibt dort zu, dass die Mangelbeseitigung nicht vollständig unmöglich war. Die O-Beine des Dackels konnten nämlich operiert werden, was aber teuer war und dann einen ständigen ärztlichen Kontrollaufwand verursacht hätte. Der BGH nimmt an, dass all dies dem Verkäufer im Sinne des § 275 II nicht mehr zumutbar war. Das kann man noch verstehen.

Warum dann aber dem Käufer nicht wenigstens das zugesprochen wurde, was noch zumutbar war, kann man ncht mehr verstehen. In § 275 II steht klar drin, dass dem Schuldner nur eine Einrede zur Seite steht, „soweit“ die Leistung nicht mehr zumutbar ist und nicht, dass der Gläubiger dann überhaupt nichts mehr verlangen kann (a.A. Faust in Bamberger/Roth BGB Beck Online Kommentar § 439 Rn. 37: wenn ein Mangel nur um den Preis eines anderen beseitigt werden könne, sei die Maßnahme von „vornherein ungeeignet“ – ja und was dann???).

Wie wichtig das „soweit“ ist, zeigt gerade der Dackelfall: Der Käufer wollte sich vor dem Gerichtsverfahren – verständlicherweise – nicht auf eine Minderung oder Rücktritt einlassen. Der BGH entlässt deshalb den Verkäufer vollständig aus allen Pflichten. Das kann nicht richtig sein, denn immerhin hatte der ja nun unzweifelhaft ein mangelhaftes Tier geliefert und die – nur teilunmögliche – Nacherfüllung verweigert.

Und übrigens: Wenn jemand jetzt darauf hinweisen möchte, dass in § 439 III nicht „soweit“ sondern „wenn“ steht und daraus etwa ableiten möchte, dass der BGH im konkreten Fall doch Recht hat, dann setze er sich bitte zuvor damit auseinander, dass § 439 III eine nicht richtlinienkonforme Umsetzungder Verbrauchsgüterkaufrichtline ist (vgl. dazu etwa Faust aaO Rn. 40). Der BGH hätte den Fall in Wahrheit dem EuGH vorlegen müssen, um diese Frage zu klären – aber ein deutscher o-beiniger Dackel vor dem EuGH, das war ihm dann vermutlich doch zuviel des Guten.

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