Die KmbH – nette Idee, aber nur mit Antragspflicht bei Überschuldung
von Ulrich Wackerbarth
Drygala stellt in ZIP 2006, 1797, eine weitere Rechtsform als Alternative zur GmbH vor, nämlich eine Art Kommanditgesellschaft ohne Komplementär, die KmbH.
1. Interessant ist die Argumentation von Drygala für eine alternative Rechtsform statt einer umfassenden GmbH-Reform, aaO. 1798. Mit letzterer würde – so Drygala – möglicherweise unnötig Porzellan zerschlagen, das sich bei einem Scheitern vielleicht nicht mehr kitten lasse. Das glaube auch ich: Mit jedem Eingriff in die GmbH steigt zunächst einmal die Rechtsunsicherheit und deren wirtschaftliche Nachteile werden erst durch spätere BGH-Urteile wieder abgemildert. Das können wir uns nicht leisten, zumal die GmbH d i e Rechtsform des Mittelstandes ist. Ob freilich eine deregulierte alternative Rechtsform die Lösung ist, wie Drygala meint, muss ebenfalls bezweifelt werden. Sicher entscheidet der Markt, ob sich eines der beiden Modelle so stark durchsetzt, dass das andere bedeutungslos wird und gestrichen werden kann. Die Wahl des Modells wird freilich von den Gesellschaftern vorgenommen. Deshalb stellt sich besonders scharf die Frage nach dem Gläubigerschutz. Oder anders gesagt: Man machte es sich deutlich zu einfach, eine einseitig zulasten der Gläubiger deregulierte alternative Rechtsform anzubieten. Vielmehr muß die Alternative ausgewogen sein und einen zwar anderen, aber ebenso wirksamen Schutz für die Gläubiger vorsehen.
2. Hauptvorteil der Idee einer KmbH: keine Kontrolle der Kapitalaufbringung. Allerdings meint Drygala, aaO S. 1805, die Kontrolle sei vor allem deshalb verzichtbar, weil sie nur eine Momentaufnahme darstelle und nicht dafür Gewähr biete, dass das Kapital nicht bald durch Verluste verwirtschaftet ist. Das stimmt zwar, aber die Bedenken gehen noch viel weiter: Selbst die Momentaufnahme kann die ihr nach h.M. zugedachte Aufgabe, die Serosität der Investition zu überprüfenl, nicht leisten. Denn die Gesellschafter können ja sofort nach der Kontrolle das aufgebrachte Geld wieder an sich nehmen, und dann hören sie von der Kapitalaufbringungskontrolle erst im Insolvenzverfahren wieder etwas. Gleichwohl ist die ganz h.M. der Auffassung, die Kapitalaufbringung tue not (siehe die Beschlüsse des DJT, dazu mein Beitrag hier ad 3.) und wird Drygala deshalb vermutlich nicht folgen.
3. Keinesfalls darf man für die neu zu schaffende Rechtsform – wie von Drygala aaO. S. 1804 vorgeschlagen – die Regeln über die Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung lockern, d.h. etwa in den ersten zwei Jahren keine Insolvenz bei Überschuldung vorsehen. Denn wenn die Gesellschaft ohne Kapital gegründet wird und aufgrund von Anfangsverlusten dann bald überschuldet ist, wirtschaften die Gesellschafter praktisch allein mit dem Geld und d.h. auf das Risiko ihrer Gläubiger. Und das darf man den Gesellschaftern nicht erlauben, weil sie sonst keine vernünftigen unternehmerischen Entscheidungen treffen: Sie werden handeln wie jemand, dem ein anderer Geld mit den Worten zur Verfügung stellt: Mach damit was du willst, eventuelle Gewinne kannst du behalten, die Verluste trage ich. Ohne Gefahr eines persönlichen Verlustes hat noch nie jemand vernünftige unternehmerische Entscheidungen getroffen.
Am 11. Oktober 2006 um 17:52 Uhr
Lieber Kollege, danke für Ihre Reaktion auf meinem Vorschlag. In der Frage der Überschuldung habe ich eine Anmerkung: Ich spreche micht nicht für einen gänzlichen Wegfall der Antragspflicht bei Überschuldung, sondern nur für eine (zudem zeitlich befristete) Rückkehr zum zweistufigen Überschuldungsbegriff, bei dem trotz rechnerischer Überschuldung die Antragstellung unterbleiben kann, wenn die Fortführungsprognose positiv ist. Eine solche Korrektur ist nach meiner Ansicht auch zwingend, weil bei einer Gesellschaft ohne Stammkapital der Eintritt einer rechnerischen Überschuldung in der Zeit unmittelbar nach Aufnahme der Geschäftstätigkeit fast zwingend ist. Das trifft übrigend nicht nur für die KmbH zu, sondern auch für die Limited. Eben das berücksichtigt die englische Rechtsprechung, indem sie die rechnerische Überschuldung nicht als Grund für wrongful trading ausreichen lässt. Diese Regel möchte ich ins deutsche Recht übernehmen. Die von Ihnen angesprochene Anreizwirkung zu vernünftigem Wirtschaften ist meiner Ansicht nach schon dadurch gesichert, dass der Geschäftsführer die positive Fortführungsprognose nachweisen muss.
Mit vielen Grüßen
Tim Drygala
Am 11. Oktober 2006 um 18:57 Uhr
Hallo, Herr Drygala. In der Tat ist der Titel meiner Anmerkung wohl etwas zu weit geraten, weil er den Eindruck vermittelt, Sie sprächen sich für eine Rechtsform ohne Antragspflicht bei Überschuldung aus, während Sie tatsächlich nur für eine auf zwei Jahre befristete Rückkehr zur alten Rechtslage plädierten.
Dennoch bleibe ich bei meiner Kritik: Die alte Rechtslage war eine de-facto-Abschaffung der Überschuldung, wie ich bereits an verschiedenen Stellen dargelegt habe (etwa in meiner Habilitationsschrift, S. 208f.): Sie hat die Überschuldung von einer Prognose abhängig macht, für die es – weil sie auf Anraten K. Schmidts von der Rechtsprechung implementiert wurde – keinerlei Vorschriften über das Wann und Wie oder über eine Kontrolle gab. Zudem muß sie (wann, wie?) der Geschäftsführer der GmbH abgeben und das heißt den Bock zum Gärtner machen. Der Zweck des Konkursgrundes der Überschuldung lag ursprünglich darin, den Zeitpunkt des Insolvenzverfahrens gegenüber der Zahlungsunfähigkeit vorzuverlegen. Das geschieht aber gerade nicht, wenn man die Geschäftsleitung anstelle des Gesetzes selbst diesen Zeitpunkt beurteilen läßt. Daran ändert auch eine mögliche Darlegungs- oder gar Beweislast der Geschäftsleitung im Hinblick auf die Fortführungsprognose nichts. Denn die Prognose als solche ist nicht justitiabel. Und das führt wiederum dazu, daß die Straftatbestände der Insolvenzverschleppung gegen Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen. Man kann die Bestrafung eines Geschäftsführers nicht von der Begründetheit einer von ihm selbst aufgestellten Prognose abhängig machen. Im Ergebnis führt die Maßgeblichkeit eine gesonderten Prognose nur dazu, daß der Zeitpunkt nicht mehr feststellbar ist, in dem die Pflicht des Geschäftsführers zur Antragstellung entsteht. Und deshalb sehe ich in der „Beweislast“ des Geschäftsführers auch keinerlei Anreizwirkung zu vernünftigem Wirtschaften. In wie vielen Fällen ist denn bislang eine Überschuldung einer Gesellschaft wegen Nichterweislichkeit der Wahrheit einer Fortführungsprognose bejaht worden?
Ob sich durch die neue Gesetzeslage des § 19 InsO freilich überhaupt etwas geändert hat, bleibt abzuwarten. M.E. ist aufgrund verschiedentlicher Äußerungen des zweiten Senats des BGH sowie von Röhricht und Goette noch gar nicht klar, dass der BGH der vom Gesetzgeber geforderten Abkehr von der alten Rechtsprechung folgen wird (Stichwort:Berücksichtigung des Geschäftswerts). Vielleicht setzt sich Ihre Auffassung also ja sogar für die GmbH und AktG durch.
Am 23. Oktober 2006 um 11:14 Uhr
Sehr geehrte Herren,
die Einführung einer neuen Gesellschaftsform mag einiges für sich haben, aber die konsequente Anwendung der einschlägigigen Rechtsinstitute für die bereits bestehenden Gesellschaftsformen würde diese Idee überflüssig machen. Wie Herr Prof. Wackerbarth treffend formulierte, sind unternehmerische Entscheidungen, die die Entscheider nicht persönlich treffen, von minderer Qualität. D.h. meist von gravierendem unsozialen Verhalten geprägt und erreichen nicht das Optimum. Aktuelle Fälle haben wir zur Zeit bei Siemens/ BENQ.
Ähnlichen Größenwahn haben wir bei Herrn Schrempp und seinem Traum von der Welt AG kennen gelernt, auf dessen geplatzen Träumen Insolvenzen, Zerschlagungen der sinnlos zugekauften Unternehmen und der Verlust zehntausender Arbeitsplätze standen.
Bevor wir über die Einführung einer neuen Gesellschafts- und Rechtsform diskutieren, sollten wir eher die Möglichkeiten einer persönlichen Haftung von Vorständen und Aufsichtsräten diskutieren. Gerade deren Unfähigkeit treibt unser Land zur Zeit in eine wirtschaftliche Krise, deren sozialer Sprengstoffgehalt gar nicht abzusehen ist. Selbstüberschätzung und vor allen Dingen das Abnickverhalten von Aufsichtsräten, die ihren Namen in keinster Weise verdienen und eher als Ruheposten für altgediente Politiker oder „Spezies“ der Vorstände dienen, sollte eher ein Riegel vorgeschoben werden. Sinnvoller wäre es, die Regelungsmöglichkeiten des Staates näher zu beleuchten. Kann es sinnvoll sein, daß ein Unternehmen wie die Deutsche Bank, mit einem Gewinn von fast 4,5 Mrd. Euro Leute entlassen darf? Investitionen werden in der Hauptsache von Leuten getätigt, die einen Arbeitsplatz haben, die Arbeitslosen haben kein Geld um den Konsum anzutreiben. Die Schwäche der Binnenkonjunktur ist ein selbstgemachtes, basierend auf der Befriedigung von Aktionären und Füllen der eigenen Taschen. Und diese schwache Binnenkonjunktur treibt das Handwerk in den Ruin, verhindert Investitionen im Bereich des Mittelstandes und steigert die Arbeitslosigkeit was zu einem schnelleren Drehen der Spirale führt.
Ich denke, eine konsequente Überprüfung der einschlägigen Rechtsnormen in Bezug auf Haftung und Arbeitsplatzsicherung führt zu besseren Ergebnissen als die Einführung einer neuen Rechtsform, die im Erfolgsfall nicht zu einem Wachsen der Konjunktur und zu einer Senkung der Arbeitslosigkeit führt, sondern eher als „Ausweichform“ für bereits bestehende Unternehmen führt, die das neue Angebot eher als Möglichkeit sehen, von ihren Abschreibungs- und Steuerminderungsmöglichkeiten das Optimum herauszuholen.
Mit freundlichen Grüßen
Axel Margraf
Student BoL