Wider die Existenzvernichtung – aber auch im Konzern
von Ulrich Wackerbarth
Gerade gelesen: Dauner-Lieb, DStR 2006, 2034ff.: „Die Existenzvernichtungshaftung – Schluss der Debatte?“ Nachdem wir uns ziemlich genau vor 15 Jahren lt. Altmeppen vom qualifiziert-faktischen Konzern „verabschieden“ sollten, läutet Dauner-Lieb nun das Ende des Nachfolgers dieser Richtererfindung ein, nämlich der Existenzvernichtungsrechtsprechung des zweiten Senats des BGH. Sie lässt zunächst noch einmal die verschiedenen Stationen bis hin zur Bremer Vulkan- Entscheidung und den drei neueren Entscheidungen von 2004 Revue passieren. Ã?hnlich wie ich es bereits in meinem Beitrag in der ZIP 2005, 877, 883 versucht habe, zeigt sie dann Ungereimtheiten im richterrechtlichen „Tatbestand“ der Existenzvernichtung auf (S. 2038f.). Ferner verdeutlicht sie noch einmal das problematische Verhältnis des Instituts zum Verschuldensprinzip (S. 2039f., so auch bereits Wackerbarth, ZIP 2005, 877, 883). Auch sei die Haftungsbegrenzung auf einen Höchstschaden in der Autohändler-Entscheidung kaum mit der dogmatischen Grundlage der Haftung zu vereinbaren (eine immanente Grenze des § 13 Abs. 2 GmbH legt unbegrenzte AuÃ?enhaftung nahe, S. 2040f.). Ganz zum Schluss meint sie, § 826 reiche aus, um die Fälle der Existenzvernichtung zu lösen (zur fehlenden Abgrenzbarkeit des Tatbestandes der Existenzvernichtung in der Rechtsprechung zu eigenen Ã?uÃ?erungen des Senats bezüglich § 826 BGB siehe bereits Wackerbarth, ZIP 2005, 877, 883, 885: Für die wirklich kranken Fälle reicht die Vorschrift aus.).
Wie man sieht, bin ich im Grundsatz ganz der Meinung von Dauner-Lieb. Dennoch kann ich ihrer Gesamtwürdigung der BGH-Rechtsprechung in einem zentralen Punkt nicht zustimmen. Auf S. 2041 meint sie:
„Schon nicht ganz einsichtig geworden ist die vollständige Verabschiedung des â??qualifiziert faktischen Konzernsâ??. Mit einer behutsamen Weiterentwicklung des konzernrechtlichen Ansatzes auf der Basis der Entscheidung â??TBBâ?? wären die anstehenden Fälle, alles Konzernsachverhalte, wahrscheinlich halbwegs überzeugend zu bewältigen gewesen. Eine praktische Notwendigkeit für eine generelle Einbeziehung des Privatgesellschafters war und ist bis heute nicht ersichtlich. Die Verallgemeinerung des Ansatzes hatte problematische Konsequenzen für die Formulierung des zentralen, haftungsauslösenden Tatbestandmerkmals: Beim Privatgesellschafter sind existenzvernichtende Eingriffe, die gegen die Pflicht zur angemessenen Rücksichtnahme auf die Eigenbelange der Gesellschaft im Sinne der Rechtsprechung verstoÃ?en, überhaupt nur in Form der selbstbegünstigenden Entnahme „zur Finanzierung der privaten Lebensstellung“ denkbar. Dies erklärt die zunehmende Konzentration der Rechtsprechung auf einen „Vermögenstransfer“, einen kompensationslosen Entzug von Gesellschaftsvermögen. So gerät die Existenzvernichtung freilich in die Nähe der Systematik der §§ 30, 31 GmbHG und bekommt den Charakter einer Entnahmeregel bzw. einer „Ausschüttungssperre“. Damit verliert die Existenzvernichtungshaftung jedoch gleichzeitig ihre konzeptionelle Ã?berzeugungskraft für die praktisch allein bedeutsamen Konzernsachverhalte.“
Das stellt aus meiner Sicht die Problematik der Existenzvernichtungsrechtsprechung auf den Kopf: Nicht die Erweiterung einer Konzernhaftung auf den Privatgesellschafter ist problematisch, sondern das richterrechtliche Institut der an Rücksichtslosigkeit geknüpften Durchgriffshaftung selbst. Wenn Dauner-Lieb meint, der Privatgesellschafter könne rücksichtslos nur handeln, in dem er selbstbegünstigende Entnahmen vornehme, dann muss sie sich fragen lassen, was denn anderes im Konzern geschehen könne. Auch sorgt entweder die Mutter für einen selbstbegünstigenden Vermögensentzug (dieser liegt auch bei einer Umverteilung zu Schwestergesellschaften vor) oder aber sie handelt unternehmerisch und für unternehmerische Entscheidungen darf sie nicht haften müssen (eine Ausnahme ergibt sich lediglich aus der Wertung des § 311 AktG – aber den will der BGH gerade nicht in das GmbH-Recht übernehmen). Und weiter: Wenn die Selbstbegünstigung der Mutter wirksam verhindert wird, warum sollte die Mutter dann die Tochter auf andere Art und Weise schädigen? Immerhin beschädigt sie dadurch doch auch ihr eigenes Investment in der Tochter (vgl. dazu und zu den Konsequenzen ausführlich Wackerbarth, ZIP 2005, 877, 884). Was die Konzernsachverhalte besonders machen soll, hat noch nie jemand überzeugend zu begründen vermocht – weshalb das Konzernrecht ja auch abgeschafft gehört, dazu Wackerbarth in: Der Konzern 2005, 562ff. Und auch Dauner-Lieb zeigt keine konkreten Beispiele für die angeblich spezifische Konzerngefahr auf.
Am 5. Januar 2007 um 13:34 Uhr
Hallo Herr Wackerbarth,
wenn Sie meinen, Sie selbst hätten die Verabschiedung von der Rechtsfigur des existenzvernichtenden Eingriffs eingeleitet, dann schauen Sie sich mal meine Urteilsanmerkung in DB 5, 330 f. an. Leider kenne ich Ihren Beitrag in der ZIP nicht und komme auch nur schwer an diese Zeiotschrift heran. Vielleicht sind Sie so freundlich, mir Ihren Beitrag (vielleicht haben Sie auch etwas Aktuelleres geschrieben?) aufs Fax zu legen: 06221/399661. Besten Dank
Dr. Bruns
Am 5. Januar 2007 um 18:04 Uhr
Hallo Herr Bruns!
Schönen Dank für den Hinweis auf Ihren Kommentar. Meinen Beitrag habe ich Ihnen per Email zukommen lassen. Vor dem Folgenden möchte ich zunächst bemerken, dass ich an keiner Stelle des Beitrags für mich in Anspruch nehme, den Abschied von der Existenzvernichtung „eingeleitet“ zu haben. Ihren Kommentar verstehe ich insoweit nicht.
Dafür habe ich mir aber Ihre Anmerkung in DB 2005, 330f. nun erstmals (für meinen Aufsatz war sie mir entgangen) angeschaut. In der Tat äußern Sie sich insgesamt kritisch zur Rechtsprechung des BGH. Doch leidet Ihre Anmerkung m.E. nach selbst an einigen Ungereimtheiten. Im Einzelnen:
In der Anmerkung bemerken Sie erstens:
„Über dieses Ziel [sc. Stärkung des Gläubigerschutzes] schießen die Urteile jedoch hinaus. Folgt man dem Autohaus-Urteil, soll ein Gesellschafter, der einen Arbeitskräfteüberhang in seiner GmbH für sich nutzt, für alle Schulden dieser GmbH haften müssen, nur weil die GmbH dann vermögenslos wird und er für die Nutzung keine Zahlung an die GmbH erbracht hat. Das überzeugt nicht.“
In der Tat, eine solche Rechtsauffassung überzeugte nicht. Sie ist aber auch nicht die Auffassung des BGH: Der will den Gesellschafter nur dann haften lassen, wenn der Entzug der Arbeitskraft gerade die Gesellschaft in die Insolvenz treibt. Sie stellen es so dar, dass allein die fehlende Bezahlung bei gleichzeitiger – sozusagen zufälliger – Vermögenslosigkeit schon die unbegrenzte Haftung auslöst. Das indessen hat der BGH nie gesagt.
Zweitens greifen Sie Erstreckung der Haftung auf mittelbare Gesellschafter durch den BGH an:
„Der BGH zieht eine Parallele zu den Grundsätzen der Kapitalaufbringung und -erhaltung, nach denen auch der Strohmann für die Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals einzustehen hat. Aber diese Haftung ist begrenzt und gilt nur im Innenverhältnis. Innen- und Außenhaftung sind nicht kompatibel; die Trennlinie kann sogar quer durch eine Norm verlaufen, wie die Rechtsprechung des BGH zu § 64 GmbHG zeigt.“
Der BGH lässt aber nicht einfach „Strohmänner“ haften, sondern erstreckt in dem kommentierten Urteil die Haftung auf mittelbare Gesellschafter. Das ist etwas ganz anderes, da auf diese Weise der Kreis der Haftenden begrenzt bleibt. Ferner ist der Hinweis auf die Geltung der §§ 30f. GmbHG nur im Innenverhältnis kein Argument gegen die vom BGH herangezogene Parallele: Wenn nämlich die Haftung aus § 30f. GmbHG in der Insolvenz nicht vom Insolvenzverwalter geltend gemacht wird, kann sie – etwa bei Einstellung des Verfahrens – später durchaus in eine Außenhaftung umschlagen und von den Gläubigern unmittelbar geltend gemacht werden. Nicht anders verhält es sich mit der Haftung aus EVE: Auch hier geht die h.M. davon aus, dass die Haftung während des Verfahrens eine Innenhaftung ist, da sie der Insolvenzverwalter nach § 93 InsO geltend zu machen hat (ausführlich Wackerbarth, ZIP 2005, 877, 881).
Und drittens meinen Sie dort:
„Diese Erstreckung [sc. der Haftung auf mittelbare Gesellschafter durch den BGH] wie auch das Erfordernis der Zielgerichtetheit des Eingriffs macht jedenfalls eines unmöglich: den Anspruch auf eine Durchbrechung des § 13 Abs. 2 GmbHG zu gründen, ihn also als Fall der (rechtlichen) Durchgriffshaftung zu sehen. Die Aufhebung des in § 13 Abs. 2 GmbHG aufgestellten Trennungsprinzips kann nicht weiter gehen als die Trennung selbst und ist damit auf den Bereich der Gesellschafter dieser Gesellschaft beschränkt.“
Das kann ich nicht nachvollziehen. Mittelbare Gesellschafter sind doch erstens Gesellschafter (nämlich mittelbare) und zweitens sind sie doch mindestens ebenso „getrennt“ von der Gesellschaft wie unmittelbare Gesellschafter. Nach ihrer eigenen Logik müssten Sie daher mit der Begründung der Haftung aus EVE anhand von § 13 Abs. 2 einverstanden sein.
Und weiter heißt es bei Ihnen im selben Zusammenhang, also zur Untermauerung der Meinung, die Haftung könne nicht auf § 13 Abs. 2 gestützt werden:
„Charakteristisch für den Durchgriff als Strukturhaftung ist – jedenfalls nach den beiden heute herrschenden Lehren, der Normzwecklehre und der institutionellen Durchgriffslehre auch dessen Unabhängigkeit von subjektiven Anforderungen.“
Ein paar Absätze vorher geben Sie indessen selbst zu, dass der BGH eben genau auf Verschulden als Voraussetzung verzichtet. Dann müssten sie doch konsequenterweise um so mehr damit einverstanden sein, die Haftung als verschuldensfreie Durchgriffshaftung zu sehen.
Nur damit ich nicht missverstanden werde: Auch ich bin – wie Sie – gegen eine verschuldensunabhängige Haftung aus EVE. M.E. nach kann man aber auf das neu erfundene Institut gänzlich verzichten. Sie hingegen wollen – wie Sie im letzten Absatz ihrer Anmerkung zugeben – eine Weiterentwicklung der Rechtsprechung mit (u.a.) Einführung einer subjektiven Haftungsvoraussetzung und von Kausalitätsanforderungen „zeitlicher Natur“ (?) …
Insgesamt eine zwar im Ergebnis kritische Anmerkung zur Existenzvernichtungsrechtsprechung, die aber nach meinem Dafürhalten an inhaltlichen Widersprüchen und Ungenauigkeiten in dem Verständnis der BGH-Rechtsprechung leidet.
Am 5. Januar 2007 um 20:18 Uhr
Sehr geehrter Herr Wackerbarth,
vielen Dank für Ihren Beitrag aus der ZIP. Ich werde ihn mir anschauen, sobald ich dazu komme. Was nun die Kritik an meinem Beitrag in DB 05 angeht, so scheinen Sie sich mit den darin geäußerten Gedanken nur flüchtig beschäftigt zu haben. Ich gebe allerdings zu, dass die Anmerkung sehr komprimiert ist und sich daher Missverständnisse leicht einstellen können. Gerade zur Problematik der Haftung mittelbarer Gesellschafter habe ich mich in NZG 4, 409 ff. umfassend geäußert, zur dogmatischen Einordnung der Haftung ein Jahr zuvor in der WM. Vielleicht sollten wir an diesem Punkt weiter diskutieren, wenn Sie sich diese Beiträge angeschaut haben.
MfG
Dr. Bruns
Am 5. Januar 2007 um 21:23 Uhr
Sehr geehrter Herr Bruns,
ich schaue mir gerne Ihre weiteren Beiträge in NZG und WM an, wenn Sie sich zuvor meine Gedanken zu dem ganzen Themenkreis in meiner Schrift Grenzen der Leitungsmacht in der internationalen Unternehmensgruppe aus 2001 (zu den mittelbaren Gesellschaftern u.a. auf den S. 212ff.) angesehen haben.
MfG
U.Wackerbarth
Am 5. Januar 2007 um 21:52 Uhr
Sehr geehrter Herr Wackerbarth,
ich bin derzeit nicht so in der Problematik drin, aber ich werde die im Nomos-Verlag in Kürze erscheinende Diss. von Matschernus für die ZHR besprechen (kommt wohl in Heft 4) und das zum Anlass nehmen, einige neuere Beiträge zu sichten. Ich werde mich allerdings auf die Zeit nach dem Vulkan-Urteil beschränken. Die Zeit davor kenne ich gut, ich denke, ich bin der letzte, der sie noch als aktuelle Rspr zusammengefasst hat (in WM 2001). Deshalb will ich auch nicht ausschließen, dass Material aus der Vor-Vulkan-Zeit für den neuen Haftungsansatz von Bedeutung ist. Da ich in Baden-Baden an Ihre Schrift nicht herankomme, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir die S. 212 ff. aus Ihrer Schrift zumailen könnten.
MfG
Dr. Bruns
Am 27. Januar 2007 um 22:48 Uhr
Sehr geehrter Herr Wackerbarth
inzwischen habe ich auch Ihre Ausführungen in der ZIP gelesen. Ich möchte sagen, Licht und Schatten, Einiges führt weiter, Einiges verwirrt nur. Die heute immer mehr in den Vordergrund drängende Frage: Was unterscheidet die Haftung aus EVE eigentlich von 826 BGB? haben Sie auch nicht beantwortet. Natürlich dürfen Sie nicht dabei stehen bleiben, eine enge Nähe zwischen beidem festzustellen, sondern müssen auch sagen, warum dann überhaupt noch ein Unterschied besteht.
Die grundsätzliche Problematik bei der Sache ist, dass gerade zum EVE viel Mist geschrieben wird, manchmal gerade grotesk Unsinniges (Anwesende natürlich ausgenommen). Der 2. Senat ist da natürlich nicht schuldlos. Sicherlich hat er den Ruf als kreativster Senat. Leider setzt er sich i.G. u anderen BGH-Senaten aber kaum mit dem Schrifttum auseinander, so dass er schon von vornherein schwer zu verstehen ist. Es ist auch nicht Sinn der Sache, die Hintergründe der Rechtsprechung (wie beim EVE) einem Festschriftbeitrag zu entnehmen. Dass dann viel Unsinn im Schrifttum produziert wird, ist einleuchtend. Den BGH entschuldigt auch nicht, dass er die Vorläuferhaftung auf einen Professorenvorschlag gegründet hat. Denn Fehler eines solchen Vorschlags vermögen den Wert von Schrifttumbeiträgen ebensowenig zu diskreditieren wie eine fehlerhafte Rspr. Stärkere Transparenz würde auch eine bessere Kontinuietät der Rspr. des 2. ZS verbürgen. Wie wir sehen, ist durch den Wechsel von Röhricht auf Goette das Wesentliche zum EVE (Abkehr vom Durchgriff) zur Makulatur geworden. Dass dies im Schrifttum bisher kaum festgehalten worden ist, spricht für die Unsicherheit, mit dem das Schrifttum diese Urteile zur Kenntnis nimmt. Zu Götzendiensten bin ich persönlich nicht bereit.
MfG
P.B.
Am 28. Januar 2007 um 03:23 Uhr
Sehr geehrter Herr Bruns,
schönen Dank für Ihren Kommentar. Nur zur Klarstellung: Die Tatsache, das sich die Haftung aus EVE nicht gegen § 826 BGB abgrenzen lässt, ist aus meiner Sicht einer der Gründe dafür, eine solche Haftung entgegen dem II. Senat insgesamt zu verneinen. Da ich die Haftung ablehne, u.a. weil ihr (soweit bislang erkennbar) fehlendes Verschuldenserfordernis dem Vorsatzerfordernis des § 826 BGB widerspricht, muss ich also überhaupt nicht sagen, „warum da noch ein Unterschied besteht“. Trotzdem freue ich mich natürlich, da dies der einzige „Schatten“ ist, den Sie konkret benennen können.
Gruß
U.Wackerbarth
Am 10. Februar 2007 um 13:40 Uhr
Hallo,
Ihren Beitrag habe ich leider erst jetzt gelesen. Schreiben Sie tatsächlich mitten in der Nacht? Nun zur Sache: Das mit den Verschuldenserfordernis sollten Sie mal ausführen. Ich erinnere an die Entscheidung BGH v. 20.9.04 (II ZR 302/02), die das Vorsatzerfordernis mit keinem Wort erwähnt. Zum Vorsatz allgemein interessant ist auch BGH NJW 85, 134, 135, wonach jeder im Rahmen seines Wirkungskreises verpflichtet ist, sich über das Bestehen von Schutzgesetzen zu unterrichten. Handelt er gegen ein Schutzgesetz, das an Vorsatz anknüpft, ist das schon Vorsatz. Pikanterweise ging es um das GSB, ein Gesetz von 1909, das der BGH erst durch seine Entscheidung NJW 82, 1037, 1038 aus der Versenkung gehoben hat, also in den Jahren 1974 bis 1976 (GSB-Verstoß zwischen Nov. 1974 – Ztp. des Vertragsschlusses – und 10.12.1976 – Eröffnung des Konkursverfahrens) nicht mehr oder noch nicht bekannt sein konnte…
Am 10. November 2007 um 15:45 Uhr
Hallo,
das Blog-Thema sollte weiter betrieben werden, zumal wir mit der Trihotel-Entscheidung vom 16.07.2007 (II ZR 3/04) ja neues Material haben.
Die Trihotel-Entscheidung ist im Schrifttum eigentlich durchwegs unkritisch aufgenommen worden. Tatsächlich ist sie völlig missraten. Die Schlüsselstellen (Rdnr. 28, 31, 33) erschöpfen sich in Zirkelschlüssen. Auch der Ausschluss der 826 BGB-Außenhaftung ist nicht erklärt und wohl auch nicht erklärbar, schon gar nicht zu rechtferigen. Kurzwellys Formulierung in Rdnr. 37, es sei für den Gesellschaftsgläubiger nicht unzumutbar, den prozessualen Umweg zu gehen, (scil. erst aufgrund eines Titels gegen die Gesellschaft nach der Pfändung und Überweisung der Gesellschaftsansprüche gegen den Gesellschafter vorzugehen), wenn der Insolvenzverwalter einen EVE als eher unwahrscheinlich oder schwer belegbar einschätzt, so dass er von der Rechtsverfolgung absieht, sind zynisch und naiv zugleich. Zynisch sind sie, weil sie dem Gesellschaftsgläubiger über den ohnehin äußerst dornigen Weg der Darlegung einer EVE-Haftung hinaus jetzt auch noch einen zusätzlichen Prozess gegen die GmbH aufbürden. Naiv sind sie, weil sie die Realität ausblenden (dazu Voigt in ZIP 4, 1531 ff., aber meistens wird ein Insolvenzverfahren ja nicht einmal eröffnet). Im Grunde gilt dies auch für das in Rdnr. 27 abgelehnte Bedürfnis einer (echten) Durchgriffshaftung.
§ 826 BGB ist ok, so aber nicht. Vor allem darf eine neue Lösung erst dann her, wenn die neue Rechtsgrundlage deutlich besser ist als die alte. Sieht man sich die Urteilsbegründung an, so ist das nicht zu bejahen. Mir scheint meine Lösung des Falls (NZG 4, 409 ff.) deutlich besser. Aber den Weg der (echten) Durchgriffshaftung hat der BGH ja schon in den beiden Urteilen vom 13.12.2004 (II ZR 206/02 und 256/02) verlassen.
Am 8. Juni 2008 um 17:03 Uhr
Sehr geehrte Herren Dr. Bruns und Wackerbarth,
in dieses Szenario gehört u.a. der Fall BenQ und viel ähnliche Fälle in der jüngsten Wirtschaftsgeschichte. Da der 826 BGB eindeutig ist, durch den BGH mehrfach
mehr oder weniger eindeutig und teleologisch in dem Bereich die Wirtschafts-Rechtsprechung beeinflusst hat, muss ich als Zeuge ähnlicher Vorgänge
es zynisch empfinden, wie man kriminellen Machenschaften unter dem „Vorwand der
freien Wirtschaftstätigkeit“ einen sehr berechtigten Bereich der Grenzen des freien
Wirtschaftens kolportieren möchte.
Es gibt inzwischen sehr viele Möglichkeiten, andere mit Winkelzug-Verträgen zu enteignen. Das darf nicht voll einreissen.
Freu mich auf Echo.
freundliche Grüsse W. lamsfuß