Neues Geschäftsmodell zur Umgehung des Rechts der Gesellschafterdarlehen?
von Ulrich Wackerbarth
Obschon der IX. Senat in seiner heute veröffentlichten Entscheidung vom 21.2.13 (IX ZR 32/12) ständig von unzulässigen und möglichst zu verhindernden Umgehungen spricht, sind all dies wohl nur leere Worte. Mit seiner Entscheidung bestätigt der IX. Senat eine schon vom II. Senat ermöglichte (siehe hier) ganz einfache Vorgehensweise, die künftig jedem Gesellschafter, der seiner GmbH ein Darlehen gibt, nur nahegelegt werden kann, jedenfalls dann, wenn die höchstrichterliche Rechtsprechung konsequent bleibt und nicht neuerliche Kapriolen schlägt.
Worum geht es? Der beklagte alleinige Gesellschafter eines Alleingesellschafters einer GmbH & Co. KG hatte der (später insolventen) KG ein Darlehen gegeben, die Rückzahlungsforderung allerdings später an einen Dritten abgetreten. Dies geschah jedoch noch innerhalb eines Jahres vor Antragstellung. Der IX. Senat wendet zunächst zutreffend das Recht der Gesellschafterdarlehen auch auf den Beklagten an, weil dieser zwar nicht unmittelbarer Gesellschafter aber mittelbarer Alleingesellschafter der KG ist und insoweit eine wirtschaftlich entsprechende Forderung (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 2. Alt InsO) vorliegt (Rn. 20 ff.). Zu Recht nimmt der IX. Senat auch an, dass der Gesellschafter allein durch Abtretung dieser Forderung an externe Dritte nicht enthaftet wird (Rn. 28 ff.).
Allerdings will der IX. Senat ein Jahr nach der Abretung das Darlehen von seiner Nachrangigkeit befreien (Rn. 25 f., von mir hier bereits angekündigt), so dass der durch § 135 InsO bewirkte Schutz der Gläubiger aufgehoben ist, wenn die Gesellschaft erst ein Jahr nach der Abtretung oder später den Zessionar befriedigt, auch wenn sie anschließend Insolvenzantrag stellen muss.
Der geschätzte Leser vergleiche bitte die folgenden drei Fälle:
(1) Gesellschafter G gibt GmbH im Jahr 2010 ein Darlehen, im Februar 2013 wird das Darlehen zurückgezahlt, im Juni 2013 wird Eröffnungsantrag gestellt.
Ergebnis: G muss die erhaltene Rückzahlung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO zurückerstatten, weil seine Befriedigung innerhalb eines Jahres vor Antragstellung erfolgte.
(2) Wie der erste Fall, nunmehr hat Gesellschafter G im Juli 2012 die Darlehensforderung an D verkauft, im Februar 2013 wird (nun an D) zurückgezahlt, im Juni 2013 wird Eröffnungsantrag gestellt.
Ergebnis: G haftet nach der neuen Entscheidung des BGH gesamtschuldnerisch mit D auf Rückerstattung der Darlehenstilgung, die D erhalten hat.
(3) Wie der zweite Fall, nunmehr hat G bereits im Mai 2012 die Darlehensforderung an D verkauft.
Ergebnis: Weder G noch D haften auf Rückzahlung!
Nach der Entscheidung, durch die nun Einvernehmen über die Rechtslage zwischen dem IX. und dem II. Senat hergestellt ist, kann sämtlichen Gesellschaftern, denen die gesetzlichen Regeln (Nachrangigkeit und Anfechtbarkeit von Gesellschafterdarlehen nach Maßgabe von §§ 39, 135 InsO ) nicht passen, folgendes Vorgehen empfohlen werden (wobei Verf. dieser Zeilen schon aus Gründen der Anständigkeit eine solche Empfehlung natürlich nicht ausspricht):
Wer als Gesellschafter der Gesellschaft Kredit gibt, sollte sofort (!) nach der Kreditvergabe den Rückzahlungsanspruch an einen nicht mit ihm oder der Gesellschaft gesellschaftsrechtlich verbundenen Dritten (z.B. eine Bank, für die das Urteil ein „neues Geschäftsmodell“ in sich trägt) verkaufen und abtreten. Der Kaufpreis sollte dem Dritten gestundet werden bis zur Rückzahlung des Darlehens (an den Dritten) bzw. Ausschüttung einer eventuellen Insolvenzquote. Nach Ablauf von einem Jahr ist das Gesellschafterdarlehen enthaftet (Rn. 25 f. des Urteils). Einer Rückzahlung an den Dritten durch die Gesellschaft oder einer eventuellen Geltendmachung der Forderung in der Insolvenz durch den Dritten steht nun nicht mehr das Regime der §§ 39, 135 InsO entgegen. Vielmehr sind nur noch die allgemeinen Anfechtungsregeln der §§ 129 – 134, § 136 ff. InsO einschlägig, was eine eindeutige Verbesserung der Befriedigungsaussichten bedeutet. Nach einer eventuellen Rückzahlung von derartigen Darlehen muss freilich die Antragstellung möglichst noch 3 Monate hinausgezögert werden, damit das alles nicht noch an den §§ 130 ff. InsO scheitert. Eine Vorsatzanfechtung des vorbezeichneten Forderungsverkaufs nach § 133 InsO kommt hingegen nicht in Betracht. Denn zwar verfolgt der Gesellschafter hier (jedenfalls m.E.) vorsätzlich das Ziel, die (anderen) Gläubiger des Schuldners zu benachteiligen, indessen verbietet § 133 InsO solches nur dem Schuldner. Das Forderungsmanagement kann (und sollte) beim Gesellschafter verbleiben, der Kaufpreis für die Forderung kann vertraglich an den bei der Darlehensrückzahlung oder schlimmstenfalls Geltendmachung in der Insolvenz tatsächlich erhaltenen Betrag angepasst werden. Der Dritte hat auch was davon: Er kassiert letztlich eine Provision, so dass dieses Vorgehen ein neues Geschäftsmodell, z.B. auch für Banken, ermöglicht.
An alle Leser dieses Beitrags: Bitte teilen Sie mir in den Kommentaren mit, an welchen Rechtsvorschriften (außer § 242 BGB, das ist langweilig, damit lässt sich immer alles irgendwie begründen, wenn einem ein Ergebnis nicht passt) dieses Geschäftsmodell scheitert oder ob wir künftig derartige Forderungsverkäufe in großer Zahl erleben werden. Ich frage sogar noch weiter: Falls der Gesellschafter eine GmbH oder eine Aktiengesellschaft ist, begeht deren geschäftsleitendes Organ nicht sogar eine Sorgfaltspflichtverletzung, wenn es Gesellschafterdarlehen nicht sofort nach ihrer Hingabe an konzernexterne Dritte verkauft?
Am 23. Oktober 2013 um 15:08 Uhr
[…] des II. und des IX. Senats hatte ich das alte Kapitalersatzrecht ja bereits für tot gehalten (hier und hier). Nun hat der IX. Senat in seiner Entscheidung vom 18.7. dieses Jahres allerdings erkennen […]