BGH macht Räumungsvollstreckung des Vermieters praktikabel
von Ulrich Wackerbarth
Dieser Beitrag liegt etwas abseits der sonst hier besprochenen Themen bzw. kommentiert keinen Aufsatz, sondern ein Urteil. Die Entscheidung des BGH v. 10. August 2006 interessiert mich deshalb so sehr, weil ich aus eigener Erfahrung weiß, wie kompliziert eine Räumungsvollstreckung sein kann. Die Räumungsschuldner des Grundstücks oder der Wohnung hatten bislang nämlich einige Möglichkeiten in der Hand, um die Vollstreckung teuer bis zur Unmöglichkeit zu machen. Einerseits ist das verständlich, da es in dem Zusammenhang meist um verzweifelte, weil gescheiterte Existenzen geht. Andererseits bedeutet eine teure oder Zwangsvollstreckung auch Unbill bis hin zur möglichen Existenzvernichtung für den Ersteigerer eines Hauses in der Zwangsversteigerung oder ggf. auch für den Vermieter. Wenn aber nicht vollstreckt werden kann, leidet das gesamte Rechtssystem. Denn ein Urteil ist nur dann etwas wert und schafft nur dann Rechtsfrieden, wenn hinter ihm die Staatsgewalt steht und dafür sorgt, dass die Entscheidung nicht aus ein paar netten Worte des Richters bestand, sondern ihr auch praktische Geltung verschafft wird.
Die zu kommentierende Entscheidung vergünstigt die Zwangsräumung für den Vermieter mit einem Trick: Bislang musste der Gerichtsvollzieher stets mit einem Möbelwagen nebst Hilfskräften kommen, um den – ja nicht dem Vermieter gehörenden – Hausrat des Schuldners abzuholen und einzulagern. Dafür verlangte er einen entsprechenden, meist in die mehrfachen tausend Euro gehenden Kostenvorschuss (besonder teuer übrigens die „Zwischenlagerung“ sprich Versorgung von gegebenenfalls erst kurz zuvor angeschafften Haustieren). Man sollte doch eigentlich meinen, dass dies die Aufgabe des Räumungsschuldners ist. Sie ist es theoretisch auch – der Schuldner muss dieses Kosten übernehmen. Das Problem ist nur, dass solvente Räumungsschuldner so gut wie nichtexistent sind und der Gläubiger daher auf den Kosten sitzen bleibt. Nunmehr meint der BGH – bereits zum zweiten Mal und unter Ablehnung der gegen die erste Entscheidung ergangenen Kritik -, der Vermieter könne doch einfach sein Pfandrecht an den vom Mieter eingebrachten Sachen geltend machen (§ 562 BGB), ein Pfandrecht hat er etwa wegen rückständiger Mietforderungen oder Schadensersatzansprüchen gegen den Mieter. Damit entfällt die Pflicht des Gerichtsvollziehers zur Räumung der Wohnung oder des Grundstücks und der Kostenvorschuß sinkt auf einen sehr geringen Betrag, weil nun lediglich noch der Schuldner selbst aus dem Besitz zu setzen ist. Paradox – denn letztlich wird die Zwangsvollstreckung für den Gläubiger deshalb billiger, weil er dem Schuldner noch mehr wegnimmt als das, worauf es ihm eigentlich ankommt, nämlich das Grundstück.
So einfach und praktisch wirksam dieser Ansatz auch ist – was machen Gläubiger, die ein Haus in der Zwangsversteigerung ersteigert haben? Ihnen steht kein Vermieterpfandrecht zu, aber sie sind vor die gleichen Probleme wie der räumende Vermieter gestellt (ein noch harmloser Erfahrungsbericht hier). Wenn der Schuldner das Grundstück nicht freiwillig verlässt oder gar verwüstet, weil er nichts mehr zu verlieren hat, sind sie praktisch machtlos. Soll der Ersteigerer doch weniger Geld bieten, wird vielleicht jemand einwenden, dann hat er noch genug für solche Schadensfälle übrig. Diese Denkweise ist typisch deutsch, denn genau dieser Zusammenhang führt ja dazu, dass Grundstücke in der Zwangsversteigerung teilweise für Beträge weit unter dem Verkehrswert veräußert werden. Damit sind sie als Sicherheit für die Banken weniger wert, die Zinsen verteuern sich usw. Eine schnelle schlagkräftige Zwangsvollstreckung tut deshalb not und sie darf letztlich nicht über den Umweg des Vermieterpfandrechts begründet werden. Die Entscheidung stellt deshalb aus meiner Sicht nur eine Teillösung eines praktisch höchst bedeutsamen Problems dar und verbaut möglicherweise umfassendere Ansätze.
Am 15. Februar 2007 um 21:22 Uhr
Als Hersteller von Industrieprodukten müssen wir uns zwar nicht mit Räumungsschuldnern befassen; trotzdem eine kurze Bemerkung zum Thema Vermieterpfandrecht: Diese angebliche Sicherungsmöglichkeit für den Vermieter ist heute kaum mehr realisierbar. Der weitaus größte Teil des vorhandenen Mobiliars ist unverkäuflich und belastet den Vermieter eher.
Nun aber noch ein Kommentar zum Absatz 1 dieses Artikels. Der Satz „Wenn nicht vollstreckt werden kann, leidet das gesamte Rechtssystem“ ist völlig richtig. Auch teile ich die Folgerungen in den folgenden Sätzen. Was ist eine gerichtliche Entscheidung wert, wenn der Staat selbst eine Vollstreckung unmöglich macht? Das deutsche Meldesystem ist Dank der Rot-Grünen Regierung so aufgeweicht, dass selbst die Kriminalpolizei die Hände über dem Kopf zusammenschlägt. Kriminelle und Schuldner brauchen bei Ihren Umzügen nicht mehr die früher verlangte Anmeldebescheinigung des Vermieters beim Meldeamt vorzulegen. Wenn sie sich überhaupt an- oder ummelden, dann unter einer fiktiven Anschrift unter der sie garnicht wohnen. Und noch dümmer:
Kann das Einwohnermeldeamt nicht helfen, verhindert der Datenschutz jegliche Nachfrage bei entsprechenden Behörden. Da teilt uns die Agentur für Arbeit mit, dass sie uns die neue Anschrift unseres Schuldners, der dort Kindergeld bezieht, nur mitteilen könne, wenn dieser zustimme. Vor so viel Verhöhnung bleibt einem die Sprache weg. Facit: Wenn mit Hilfe des Staates ein vollstreckbarer Titel erwirkt werden konnte, muß der Staat auch für seine Durchsetzung sorgen. Es handelt sich um ein staatliches Dokument, dass relevanten Behörden erlauben muß, einem rechtsuchenden Titelinhaber sachbezogene Auskünfte zu erteilen.