Worum geht es und wofür braucht man das?

Bevor ein Fragebogen bzw. eine Online-Befragung in den Umlauf kommt, wird er standardmäßig erst einmal im Pretest erprobt – funktionieren die Fragen, wissen alle, was sie antworten würden? Der qualitative Pretest setzt schon einen Schritt früher an und bezieht die zu Befragenden aktiver in die Fragebogenkonstruktion ein.

Die Inspiration zu diesem Vorgehen bekam ich bei der Veranstaltung “F – Fragebogenentwicklung” u.a. mit Prof. Dr. Christina Buschle (IU) in der Vortragsreihe “Von A bis ZeBO” des ZeBO Hagen. Danke für dieses wertvolle Input, das ich in einer Stunde im Zug mitnehmen durfte! Ja, auch in einer Stunde Zoom zwischendurch kann man viel mitnehmen, muss ich mir als Weiterbildungsforschende, die dem Micro- und Nugget Learning bisweilen kritisch gegenüberstand, eingestehen.

Buschle et al. beschreiben die Methode des “Qualitativen Pretest-Interviews (QPI)” (siehe zum Beispiel im Beitrag hier), das sich an den Methoden des Problemzentrierten Interviews und diskursiven Interviews als Erweiterung des Kognitiven Pretest Interviews versteht. Besonders ist die stärkere Einbeziehung der zu Befragenden und ihrer Sicht auf die zu erhebenden Themenkomplexe – der Abstieg aus dem Elfenbeinturm der Wissenschaftler*innen hin zu der (sozialen und begrifflichen) Lebenswelt der people of interest sozusagen. Das mag je nach zu befragender Zielgruppe eine unterschiedlich große zu überwindende Distanz sein. Ich hatte mal die spannende Erfahrung mit einer fragebogengestützten Befragung an Deutsch-als-Zweitsprache-Kursen (DaZ) an Berliner Volkshochschulen gemacht, dass – selbst wenn ich den Fragebogen mit den Personen durchgegangen war und selbst ausgefüllt habe – nicht immer ein gemeinsames Verständnis der Fragen möglich war. Also habe ich versucht, im Prozess zu eruieren, wie die Befragten etwas verstehen, was das heißt und inwiefern ich (rück-)übersetzen kann.

Zugleich muss einschränkend überlegt werden, wie viel theoretischer Unterbau oder aber fixe zu erfragende Themenbereiche bzw. auch Begriffe gesetzt sind und damit nicht infrage gestellt werden können. Mein Zugang kann dann doch zumindest in wesentlichen Teilen als explorativ gekennzeichnet werden, weswegen die Methode des qualitativen Pretests auch besonders geeignet schien.

Mein Prozess der Fragebogenentwicklung

In meinem Fall gestaltet sich die Fragebogenentwicklung folgendermaßen:

  • Erstellung eines Grobkonzepts meines Fragebogens mit Blick auf Themenkomplexe und Fragen, die sich aus der Fragestellung ergeben bzw. sich als dessen Rahmung als notwendig erweisen.
  • Recherche bestehender und validierter Befragungen, die als Rahmung meiner Befragung dienen können –> hier habe ich die internen Studierendenbefragungen der FernUni Hagen sowie die (riesige !) Studierendenbefragung des DZHW genutzt.
  • Erstellung einer Synopse zu (ggf. für meine Befragung relevanten) Themenkomplexen und Fragen/Antworten aus den Referenzbefragungen (s.o.).
  • Entwicklung eines Fragebogens, der sich auf diese Synopse stützt, aber explizit auf meine Fragestellung zugeschnitten ist. Und: ich habe eigentlich doch einen ganz eigenen Fragebogen erstellt, der sich nur in einigen allgemeinen Teilen an den Referenzbefragungen orientiert.
  • Diskursive Prüfung des Fragebogenentwurfs mit der zu befragenden Zielgruppe –> das war der Teil des qualitative Pretests (s.u.)
  • Einarbeitung des Feedbacks im 6-Augen-Prinzip –> hier habe ich das Glück, doch ein kleines Team zu haben, sodass meine studentischen Mitarbeiter und ich schrittweise und wechselseitig auch noch einmal prüfen: Was muss geändert werden?
  • Übersetzung des Fragebogens in LimeSurvey –> das wird spannend: kann das alles auch so umgesetzt werden, wie im Fragebogenentwurf angedacht?
  • Pretest der online-Befragung –> das ist der “klassische Pretest”, wo es dann (auch) um Technikfragen geht. Das kann ich dankenswerterweise auch im Rahmen der eigenen Lehre machen.
  • Letzte Anpassung der Befragung
  • Und… go :—> Die Frage wo und wie die Befragung beworben wird, ist derzeit auch in aktiver Arbeit im Backstage-Bereich 🙂

Action Research in der Lehre ?!

Was habe ich also konkret mit meinen Studierenden gemacht und wie kann man das fassen? Zunächst einmal bin ich sehr dankbar, dass es tatsächlich etwa 20 Studierende aus meinem Modul gibt, die Interesse an einer gemeinsamen Arbeit haben – über die Lehre hinaus, ganz freiwillig. Das heißt also, ich forsche NICHT in der Lehre mit den Studierenden, habe sie aber freiwillig an Bord. Es hat sich gewissermaßen eine kleine “Community of Practice” rund um meine Befragung gebildet. Und was toll und interessant ist: Es handelt sich ja um angehende Bildungswissenschaftler*innen, die zugleich natürlich auch Studierende der Bildungswissenschaft sind. Damit haben sie einerseits qua “Ausbildung” einen etwas informierteren Blick auf ihr eigenes Lernen und ihre Biografie und zugleich auch ein stärkeres Interesse an dessen Reflexion und Erforschung – könnte man jedenfalls meinen 🙂 Und so hoffe ich, dass sie auch etwas persönlich und professionell von der Arbeit mit mir mitnehmen können. Es war auf jeden Fall ein super schönes Erlebnis, in vier 90-minütigen Online-Workshops mit Brainstorming auf dem Whiteboard sowie in Kleingruppenarbeit jeweils Teile meines Fragebogens besprechen zu können. Ich freue mich auf alles was kommt und werde diese freiwillige Zusammenarbeit an geeigneter Stelle auch entsprechend würdigen!!!